Der Versicherungskonzern Ergo expandiert erstmals außerhalb seines deutschen Heimatmarktes mit Online-Versicherungen. Die Tochter der Münchener Rück wird im zweiten Halbjahr in Österreich über das Internet abschließbare Autopolicen anbieten. „Den Markteintritt in Österreich haben wir uns für das zweite Halbjahr vorgenommen“, sagte Mark Klein, Chief Digital Officer der Ergo Digital Ventures, dem Handelsblatt.
„Wir planen, weitere Produkte zu starten und in zusätzliche Länder zu gehen.“ Dabei bleiben die Kosten überschaubar. „Wir können von Deutschland aus, unsere Versicherungen digital anbieten, ohne eigene Töchter in den jeweiligen EU-Ländern aufzubauen. Das ist ein Kostenvorteil“, sagte der Chef des Ergo-Digitalversicherers Nexible.
Der Düsseldorfer Versicherungskonzern hatte hatten den reinen Digitalversicherer Nexible im vergangenen Jahr aus der Taufe gehoben, um auf das veränderte Nutzerverhalten im Privatkundengeschäft zu reagieren. In Deutschland bietet Nexible bereits Autoversicherungen an.
Später sollen auch andere, einfachere Privatversicherungen wie Privathaftpflicht, Unfall oder Hausrat dazu kommen. Nach Unternehmensangaben hat Nexible Ende des vergangenen Jahres bereits 20.000 Autopolicen in Deutschland verkauft. Neuere Verkaufsziffern wollte Ergo auf Anfrage nicht mitteilen.
„Die Zahlen entwickeln sich gut, und wir sind zufrieden“, sagte Nexible-Chef Klein. „Wir haben in Deutschland die Grenze von zehn Millionen Euro an Beitragseinnahmen überschritten.“ Bis 2020 werden in Deutschland bis zu 25 Prozent der Versicherungen online abgeschlossen werden, ist sich der Nexible-Chef sicher.
Bei Autopolicen soll es in dem Alpenland für Ergo aber nicht bleiben. Auch andere, einfach abzuschließende Versicherungen prüft Nexible. „Wir schauen uns die Themen Motorrad- und Reiseversicherung an“, sagte Klein. „Für uns ist das ein Experiment mit offenem Ausgang.
Österreich der Testlauf für mehr
In Deutschland haben wir bereits erste Anzeichen erhalten, dass es funktionieren kann.“ Der Ausbau der digitalen Infrastruktur durch die österreichische Regierung erzeuge ein „positives Momentum“, meinte Klein zum Zeitpunkt des Markteintritts in Österreich.
Die Auslandsexpansion mit Online-Versicherungen nach Österreich ist für Ergo eine strategisch wichtiger Laborversuch. Sollte er gelingen, wollen die Düsseldorfer schnell weitere EU-Länder anpacken. „Eine mögliche Expansion in weitere europäische Länder prüfen wir“, sagte der Nexible-Chef dem Handelsblatt.
Die Expansion nach Österreich liegt aus der Sicht der Ergo-Tochter auf der Hand. „Der deutsche Markt ist in Sachen Online-Versicherung gegenüber Österreich mit einem Marktanteil zwischen 18 und 19 Prozent weiter entwickelt. Der österreichische Markt liegt in diesem Segment nur bei zwei bis drei Prozent“, sagt der frühere Telekom-Manager Klein.
„Der Markt entwickelt sich rasant. Denn die Leute wollen ihre Schäden bei einem Unfall schnell und ohne Papier abwickeln.“ Der österreichische Versicherungsmarkt sei noch immer stark von den Agenturen abhängig und habe sich nicht so weitgehend wie Deutschland zu einem Online-Markt entwickelt.
Diesen Nachholbedarf in dem Alpenland wolle Ergo nun für sich nutzen. Nach Angaben von Marktteilnehmer gibt es derzeit knapp über eine Millionen Autopolicen. Davon sind nach Schätzungen nur knapp drei Prozent reine Online-Versicherungen. Experten rechnen bis 2026 mit einem Marktanteil von zwölf Prozent.
In Österreich ist der Markt von den beiden einheimischen Versicherungskonzernen Vienna Insurance Group und Uniqa, die an der Wiener Börse gelistet sind, dominiert. Auch die italienische Generali besitzt traditionell eine starke Marktposition. In Österreich funktioniert der Markt für Autopolicen anders als in Deutschland.
KfZ-Versicherung in der Alpenrepublik deutlich teurer
Kunden wechseln nicht weitestgehend im Spätherbst, sondern das ganze Jahr über. Das ist ein Vorteil, den die Ergo-Tochter für sich nutzen will. Zudem wird Nexible preisaggressiv auftreten. „Wir wollen eine umfassende Police zu günstigen Konditionen anbieten. Der Kunde soll einen vernünftigen Preisvorteil erkennen“, sagt Klein. In Österreich sind Autoversicherungen im Vergleich zu Deutschland deutlich teurer.
Ergo setzt wie andere Versicherer mittel- und langfristig große Hoffnungen in die Digitalisierung des Privatkundengeschäfts. „Der Trend geht zum hybriden Kunden. Darüber hinaus werden wir ein schnell wachsendes Segment reiner Online-Kunden haben“, ist der frühere Chef von T-Mobile in den Niederlanden sicher.
„Menschen nutzen die Möglichkeit der Schadensmeldung über das Smartphone. Das hat uns in diesem Ausmaß überrascht. Der Kunde erhält innerhalb von wenigen Stunden eine Antwort mit konkreten Vorschlägen zur Schadensregulierung.“ Jeder zehnte Vertrag, welcher über die Nexible-Homepage kam, sei bereits über das Smartphone abgeschlossen worden.
Womöglich bekommen die Versicherer im stark wachsenden Online-Versicherungsgeschäft einen mächtigen Gegner. Denn Amazon prüft einen Eintritt in das digitale Privatkundengeschäft. Die Branche beobachtet den amerikanischen Handelskonzern mit Argusaugen.
„Ich gehe davon aus, dass Amazon den Online-Verkauf von Versicherungen genau beobachtet“, sagte Ergo-Digitalchef Klein. Der Handelsgigant sei „ein potentieller Wettbewerber oder womöglich auch ein Partner.“ Ganz ins Internet werde das Geschäft aber nicht abwandern.
„Der hybride Kunde dominiert den Markt“, ist sich der 46-jährige Digital-Chef sicher. Klein kam im Herbst 2016 zu Ergo. Seine Hauptaufgabe ist seitdem die digitale Transformation des traditionellen Geschäfts von Ergo. Zudem soll er neue digitale Geschäftsmodelle in den Markt bringen.
Er berichtet direkt an Ergo-CEO Markus Rieß, der auch im Vorstand der Münchner Rück ist. Das Digitalgeschäft ist ein wichtiger Baustein für Ergo, um aus der Krise zu kommen. Der Konzern mit rund 42.000 Mitarbeitern litt in den vergangenen Jahren unter hohen Kosten, rückläufigen Marktanteilen und selbst verschuldeten Skandalen.
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