Die Munich-Re-Tochter erhält viele Offerten für ihre Töchter Ergo Leben und Victoria Leben. Eine Entscheidung, ob der Verkaufsprozess fortgesetzt wird, könnte bereits in den nächsten Wochen fallen.
Der Sondierungsprozess für den umstrittenen Verkauf von rund sechs Millionen Lebensversicherungs-Policen der Ergo-Versicherung hat eine erste wichtige Hürde genommen. Der Ergo liege inzwischen eine größere Zahl von Angeboten vor, die das Unternehmen nun sorgfältig hinsichtlich aller relevanten Aspekte prüfen und bewerten werde, sagte am Mittwoch eine Sprecherin des Düsseldorfer Versicherers. Diese Prüfung werde voraussichtlich mindestens bis Ende November dauern.
Der erwogene Verkauf – er wäre die größte Veräußerung eines Bestandes in der Geschichte der Bundesrepublik – nimmt damit konkrete Formen an. Um welche Bieter es handelt, verriet der Konzern nicht. Laut Insidern haben unter anderem sowohl die Swiss Re als auch die Resolution Group, die in Großbritannien seit fast 15 Jahren Lebensversicherungen ohne Neugeschäft abwickelt, vorgefühlt. Das Handelsblatt hatte vor einer Woche vorab berichtet, dass Ergo-Chef Markus Rieß bis Mitte November erste unverbindliche Angebote einsammeln wolle. Der Konzern bestätigte nun, dass die Frist für die Abgabe solcher Offerten Ende vergangener Woche abgelaufen sei.
Rieß fackelt damit bei der Prüfung des Verkaufs nicht lange. Erst auf Grundlage der Prüfung der Angebote wolle Ergo entscheiden, ob ein Verkauf auf die Tagesordnung komme und – falls ja – mit „wem von den Interessenten das Unternehmen in vertiefende Gespräche gehen“ werde. sagte die Sprecherin weiter. Unverändert gelte, dass es derzeit keine Entscheidung gebe, ob es überhaupt zu einem Verkauf kommt. Wenn eine Veräußerung auf die Tagesordnung kommen sollte, werde Ergo Formate finden, „um mit allen Stakeholdern zu sprechen, welche Lösung die beste für das gesamte Unternehmen ist“.
Das Düsseldorfer Unternehmen hatte erstmals Ende September erklärt, dass es einen Verkauf der beiden Töchter erwäge, aber konkrete Zeitvorstellungen für das weitere Procedere zunächst verneint. Die beiden Leben-Töchter schreiben schon länger kein Neugeschäft mehr. Ergo verkauft neue, meist fondsgebundene Lebensversicherungen nur noch ohne Garantien über eine andere Tochter. Die Victoria Leben hatte das Neugeschäft bereits 2010 eingestellt, die aus der Hamburg-Mannheimer hervorgegangene Ergo Leben seit 2016. Sie sitzen aber noch auf großen Altbeständen, für die Ergo zum Teil hohe garantierte Zinsen zahlen muss. Das bindet unter den neuen Regeln von Solvency II große Mengen an Risiko-Kapital.
Lange Zeit galt ein Verkauf großer Lebensversicherungs-Portfolien in Deutschland als Tabu. Doch zuletzt waren eine Handvoll Transaktionen geräuschlos über die Bühne gegangen und gleich mehrere Finanzinvestoren, die sich auf die kostengünstige Abwicklung (“Run-off”) solcher Portfolien konzentriert haben, buhlen um die Altbestände der Versicherer. So haben sich Viridium, hinter dem der Finanzinvestor Cinven und der Rückversicherer Hannover Rück stecken, die Frankfurter Leben unter der Führung der chinesischen Fosun sowie der Run-Off-Spezialist Athene, zu deren Investoren die Private-Equity-Firma Apollo zählt, auf dem Markt etabliert.

Einen Verkauf eines so großen Bestandes wie bei Ergo – die Rede ist von rund 56 Milliarden Euro an Kapitalanlagen – hat es aber bisher in Deutschland nicht gegeben. Intern ist das Vorhaben nicht unumstritten. In einem Brief an Rieß warnten Arbeitnehmervertreter jüngst eindringlich davor, das Lebensversicherungsgeschäft abzugeben.
Banker und Manager aus der Branche sind skeptisch, ob die Bafin einen Verkauf so großer Bestände genehmigen würde. Das könne Jahre dauern. “Ob die BaFin Ergo und die Münchener Rück aus der Pflicht entlässt, ist längst nicht ausgemacht”, sagte ein Insider. Bafin-Exekutivdirektor Frank Grund hatte erst vor kurzem bekräftigt: “Wir werden die Belange der Versicherten wahren – nicht nur in finanzieller Hinsicht.” Je größer der Bestand, desto größer seien auch die Anforderungen an einen Käufer, die Kunden und die Kapitalanlagen zu managen.
Ergo-Chef Rieß hatte sich vor gut einem Jahr eigentlich entschieden, die Bestände selbst abzuwickeln. Inzwischen habe der Run-off-Markt aber an Fahrt gewonnen, heißt es im Unternehmen. So denkt die Münchner Generali Deutschland ebenfalls darüber nach, ob sie ihre Tochtergesellschaft Generali Leben mit vier Millionen Verträgen einem Dritten zur Abwicklung überlassen soll. Auch die Axa Deutschland schließt einen solchen Schritt nicht aus. Branchenführer Allianz lehnt eine Abtrennung dagegen kategorisch ab. Doch der Markt ist in Bewegung geraten. Michael Klüttgens, Versicherungexperte von Willis Towers Watson, glaubt, dass sich künftig noch mehr Akteure von Lebensversicherungsbeständen trennen werden.
Fonte:
Handelsblatt