Der traditionsreiche Londoner Versicherungsmarkt Lloyd’s entwirft Notfallpläne, um für den möglichen Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) gewappnet zu sein. „Etwa 90 Prozent unseres Geschäfts und Kapitals kommt von außerhalb Großbritanniens“, sagte Verwaltungsratschef John Nelson dem Handelsblatt, „wir werden an Attraktivität als Markt, in dem man investiert, einbüßen, wenn das Land nicht mehr Teil der EU ist.“
Um wenigstens einige der Nachteile aufzufangen, die mit einem EU-Austritt einhergehen, werde man das Netz an Büros auf dem Kontinent umstrukturieren müssen. „Die Büros haben derzeit vor allem repräsentative Aufgaben, sie werden dann auch andere Aufgaben übernehmen müssen“, kündigt Nelson an. „Die ganze Sache wird dadurch bei weitem nicht so effizient sein wie jetzt.“
Die Briten werden am 23. Juni über ihre künftigen Beziehungen zu EU abstimmen. Lloyd’s gehört zu einer ganze Reihe von britischen Unternehmen, die sich klar und deutlich gegen den Brexit, den Abschied aus der Staatengemeinschaft, ausgesprochen haben. „Es ist im Interesse Großbritanniens, in der EU zu bleiben, um den Zugang zum Binnenmarkt nicht zu verlieren und weiter in den Genuss der vielen Vorteile der Handelsabkommen zwischen der EU und anderen Staaten zu kommen“, betont Nelson.

Lloyd’s ist kein klassisches Versicherungsunternehmen, sondern ein Markt, auf dem sich die Mitglieder zum Zeichnen von Versicherungsrisiken zusammenschließen – zuletzt waren es 97 solcher Syndikate unter dem Lloyd’s-Dach, die in mehr als 200 Ländern ihre Dienste anbieten und häufig die erste Adresse sind, wenn es um die Versicherung von großen oder ungewöhnlichen Risiken geht. Um Zugang zu dem Versicherungsmarkt zu bekommen, haben Konkurrenten aus den USA und Asien im vergangenen Jahr Lloyd‘s-Unternehmen übernommen.
Dem Versicherungsmarkt machen aber im zunehmenden Maße die niedrigen Zinsen zu schaffen. Das hat dem Gewinn für 2015 zugesetzt. Der Überschuss vor Steuern lag bei insgesamt 2,1 Milliarden Pfund (umgerechnet 2,65 Milliarden Euro) und damit 30 Prozent unter dem Vorjahreswert. Die Schaden-Kosten-Quote verschlechterte sich ebenfalls und stieg von 88,4 auf 90 Prozent. Je niedriger diese Kennzahl ausfällt, desto profitabler arbeitet das Unternehmen.
Fonte:
Handelsblatt