Investoren setzen darauf, dass Tidjane Thiam den Anleihehandel zurückfahren wird, wenn er das Ruder bei Credit Suisse Groupübernommen hat. Sie könnten jedoch enttäuscht werden.
Seit der Ernennung Thiams zum Nachfolger von Brady Dougan ist der Aktienkurs der zweitgrößten Schweizer Bank um 15 Prozent geklettert – nicht zuletzt dank Spekulationen, dass Thiam dem Vorbild der UBS folgen und den Handel mit Festverzinslichen stark beschneiden wird. Leicht wird dies jedoch nicht, da die Bank diesen Bereich ausgebaut hat.
„Thiam wird wohl eine andere Lösung finden müssen als einfach derUBS zu folgen“, sagt Jon Peace, ein Analyst bei Nomura in London. „Die Stärken von Credit Suisse haben schon immer bei den Festverzinslichen gelegen.“
Weltweit hat der Anleihehandel zuletzt aufgrund härterer aufsichtsrechtlicher Auflagen bei den Investoren an Beliebtheit verloren. Credit Suisse hat in diesem Bereich Marktanteile gewonnen, während sich die Konkurrenz zurückzog. In anderen Bereichen, die wenig Kapital erfordern, wie der Fusionsberatung, hat die Bank jedoch an Boden verloren.
Mit einem Anteil von 42 Prozent an den Erträgen stellen die Festverzinslichen den wichtigsten Bereich der Investmentbankensparte dar. Unter den weltgrößten Investmentbanken steigerte Credit Suisse den Marktanteil im Festverzinslichen-Handel von 6,7 Prozent in 2012 auf 8,1 Prozent im vergangenen Jahr, wie aus Bloomberg-Daten hervorgeht.
Der Konkurrent UBS kam hingegen auf die niedrigsten Erträge unter den wichtigsten Bondhändlern, nachdem die Bank 2012 beschloss, diesen Bereich um mehr als 70 Prozent zu verkleinern.
Thiam, der die britische Versicherung Prudential seit 2009 geleitet hat, wollte sich bislang nicht zu seinen Plänen für die Schweizer Bank äußern, wenn er Ende Juni das Ruder von Dougan übernimmt. Auch für diesen Artikel stand er nicht für eine Stellungnahme zur Verfügung, erklärte ein Prudential-Sprecher.
Das der Investmentbank zugeteilte Kapital kann auch differenzierter reduziert werden, ohne dass dafür komplette Geschäftsbereiche gestrichen werden müssen, sagt Lara Warner, die Finanzchefin der Investmentbankensparte. „Es gibt laufend Gelegenheiten, geographisch und im Kundenbereich deutlich mehr zu tun“, erläutert sie im Telefoninterview. „Ich denke nicht, dass wir vor der Frage stehen: Festverzinsliche oder Aktien oder Bankengeschäft.“
Die drei Chefs der Investmentbank der Credit Suisse gehören zu den zehn Mitgliedern der Geschäftsleitung. Gael de Boissard leitet den Bereich Festverzinsliche, Jim Amine die Beratung und Tim O’Hara die Aktien.
In letzter Zeit haben einige leitende Banker das Kreditinstitut verlassen. Laurent Bouvier ging nach 16 Jahren bei Credit Suisse bei UBS an Bord, wo er die weltweite Industrie-Gruppe leiten wird. Martin Henrichs ging ebenfalls zum größeren Schweizer Konkurrenten und wird für Geschäfte mit Unternehmen aus dem Gesundheitssektor in der Region Europa, Naher Osten und Afrika zuständig sein.
Banker in London und New York sind aufgrund der möglichen Änderungen durch Thiam zunehmend nervös, sagt ein leitender Personalvermittler, der nicht namentlich genannt werden will, gegenüber Bloomberg. Es habe einen regelrechten Zustrom von Bewerbungspapieren bei den Personalvermittlern gegeben.
Dougan, der Credit Suisse seit 2007 geleitet hat, nahm bei der Investmentbank bereits Einschnitte in Bereichen wie dem Zinshandel vor und zog sich aus Rohstoffen zurück. In den Bereichen, die die Bank behalten will, wurden die risikogewichteten Aktiva seit 2010 um die Hälfte reduziert. Die Kapitalrendite dieser Aktivitäten schnellte von 10 Prozent vor vier Jahren auf 17 Prozent 2014 hoch. Abgesehen von der Makrosparte innerhalb der Festverzinslichen, die zurückgefahren wird, haben die drei anderen Bereiche das Rentabilitätsziel der gesamten Gruppe 2014 übertroffen, erklärte Charlotte Jones, die stellvertretende Finanzchefin der Bank, in der vergangenen Woche gegenüber Investoren.
Die Anleger sind bislang jedoch nicht überzeugt. Der Aktienkurs der Credit Suisse ist seit Ende 2010 um 27 Prozent gefallen, während es für die UBS gleichzeitig um 21 Prozent aufwärts ging.
„Alle sagen, dass man sich aus diesen Bereichen zurückziehen muss, und in drei Jahren fragen dann alle, warum man nicht daran festgehalten hat“, sagt Peter Stenz, ein Fondsmanager bei Swisscanto in Zürich. „Ich rechne nicht mit einer Revolution.“