Der Hausfrieden bei der Allianz Deutschland hängt schief. Wie so oft in solchen Fällen geht es um das liebe Geld. Denn die Allianz feiert bald ihr 125-jähriges Jubiläum. Die von den Mitarbeitern erhoffte Sonderzahlung fällt aber aus. Deutschland-Chef Markus Rieß versucht, die Wogen zu glätten. Doch sein im Allianz-Intranet veröffentlichter Appell geht nach hinten los, weil er die Beschäftigten nicht beruhigen kann. In den sozialen Medien ist ein Shitstorm über der Allianz hereingebrochen. Die eigenen Mitarbeiter seien dem Unternehmen nichts wert, ist die verbreitete Kritik.
Nach „einem sehr erfolgreichen Internationalisierungsprozess“ sei das Jubiläum „keine rein deutsche Veranstaltung“, betonte Allianz-Deutschland-Chef Rieß. „Vor diesem Hintergrund würden finanzielle Zuwendungen – sofern sie bedeutsam sein sollen – schnell den vertretbaren Rahmen sprengen.“ Ob der Rahmen wirklich zu eng ist, dürfte Ansichtssache sein. Denn jeder Allianz-Mitarbeiter weiß: Der Allianz geht es gut, im Jubiläumsjahr erst recht. Der Gewinn lag schon im vergangenen Jahr vor Minderheitsanteilen bei 6,3 Milliarden Euro. In diesem Jahr zahlt die Allianz den Aktionären eine Dividende von 5,30 Euro je Aktie, was einer Ausschüttung von 2,4 Milliarden Euro entspricht.
Angesichts dieser Zahlen dürfte der Verweis des Deutschland-Chefs, dass die Allianz auch noch „gesellschaftliche Projekte fördern“ möchte und „sich eindeutig zu ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bekennen“ werde, nicht alle Mitarbeiter überzeugen. Die von Rieß beschworene Förderung von Umwelt-, Kultur und Jugendförderung oder die Schaffung einer neuen „Gesprächsplattform für relevante gesellschaftliche Fragen wie zum Beispiel Demographie oder Umwelt“ dürften nicht allen Mitarbeitern so sehr am Herzen liegen wie eine anständige Überweisung zum Monatsende. Auch dass Rieß auf „andere Wege ein solches Jubiläum gemeinsam zu begehen“ hinweist, dürfte nicht alle Mitarbeiter voll zufriedenstellen.
Über konkrete Zahlen wollte Rieß nicht sprechen. Über eine Mitarbeiterbeteiligung am Unternehmenserfolg werde gerade mit dem Betriebsrat diskutiert, Prämien für dieses Jahr stehen noch nicht fest. Die Antwort auf die Frage, ob Mitarbeiter in die Allianz-Arena von Bayern München eingeladen würden, blieb auch nur unverbindlich: „Wir arbeiten gerade daran, das Konzept für Deutschland weiter zu detaillieren.“ Der Umgang mit dem eigenen Jubiläum bleibt insgesamt vage. In Deutschland würden „in Kürze“ für die großen Standorte „125-Jahr-Botschafter“ benannt.
Ein Allianz-Sprecher ergänzte die Äußerungen des Deutschlands-Chefs. Im Unternehmen herrsche grundsätzlich eine „offene Kommunikationskultur“. Emotionale Themen würden dabei auch kontrovers diskutiert. „Herr Rieß hat die Gelegenheit genutzt und den Mitarbeitern seine Sicht der Dinge geschildert. Da das Gesamtkonzept für das 125. Jubiläum steht, aber die konkrete Ausgestaltung noch nicht abgeschlossen ist, werden wir unsere Mitarbeiter über die weiteren Details zu einem späteren Zeitpunkt informieren. Dabei werden wir auch die vielen jetzt über unser Intranet eingegangenen Vorschläge der Mitarbeiter in die Überlegungen mit einbeziehen“, sagte der Sprecher weiter.
Andere Unternehmen zeigen sich bei Jubiläen großzügiger als Europas größter Versicherer. Porsche etwa zahlte im Jubiläumsjahr des 911er Modells jedem Tarifbeschäftigten 9111 Euro. Daimler spendierte zum 125-jährigen Jubiläum eine „Erfolgsprämie“ von 125 Millionen Euro plus „Erfolgsbeteiligung“, was jedem Mitarbeiter insgesamt 3150 Euro brachte. „Der Erfolg unseres Unternehmens hängt vor allem von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ab, die den Anspruch und das Können haben, jeden Tag Spitzenleistung zu bringen“, erklärte Dieter Zetsche, Vorsitzender des Vorstands bei Daimler. „Unsere Sonderzahlung soll dieses herausragende Engagement honorieren.“
Über solche Geschenke können sich Mitarbeiter freuen. „Der Trend von Sonderzahlungen zu Jubiläen ist jedoch rückläufig“, sagt Christoph Abeln, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin. Das gelte auch für persönliche Jubiläen, etwa nach 25 Jahren im Unternehmen. „Ein Anspruch der Mitarbeiter auf eine Jubiläumszahlung besteht nicht, wenn es keine entsprechenden Vereinbarungen gibt“, sagt Abeln. Ihren Frust sollten die Kollegen im Zaum halten. „Wer den Ruf seines Unternehmens etwa durch öffentliche Diffamierungen beschädigt, kann eine Abmahnung riskieren“, sagt Abeln.
Mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen müssen allzu kritische Allianz-Mitarbeiter allerdings wohl nicht rechnen. Markus Rieß reicht die Hand zur Versöhnung. „Warten wir ab, ob wir nicht in Deutschland Möglichkeiten identifizieren, die unsere Mitarbeiter und Vertreter ansprechen“, erklärte der Deutschland-Chef.
Die schlechte Stimmung im eigenen Haus könnte auf den Chef zurückfallen. Laut Medienberichten soll Rieß, der seit Mitte 2010 die Deutschland-Tochter führt, den Aufstieg in den Holding-Vorstand des Konzerns anstreben. Rieß sei außer Oliver Bäte Favorit für die Nachfolge von Vorstandschef Michael Diekmann, schrieb etwa das „Manager Magazin“. Bäte ist für das Versicherungsgeschäft in Süd- und West-Europa zuständig. Öffentliche Beschwerden im Internet sind bei Bäte bislang nicht aufgetaucht.