Die Finanzaufsicht BaFin schlägt Alarm: Die neuen Eigenkapitalregeln für die europäischen Versicherer könnten einige deutsche Unternehmen die Existenz kosten. “Ich bin nicht sicher, ob es alle Versicherer schaffen werden”, sagte der oberste Versicherungsaufseher der Behörde, Felix Hufeld, am Dienstagabend auf einer Veranstaltung an der Universität Frankfurt. Sie litten unter den niedrigen Zinsen und könnten daran scheitern, das nötige Eigenkapital für die Solvency-II-Regeln aufzubauen. “Es könnten fünf oder zehn sein – ich weiß es nicht”, sagte Hufeld.
Für solche Fälle habe die BaFin ihren Werkzeugkasten parat – bis hin zu einer Übertragung der Policen auf die Auffanggesellschaft der Branche, Protektor. “Wir müssen vorbereitet sein”, sagte Hufeld.
Die BaFin beaufsichtigt in Deutschland mehr als 90 Versicherer. Nach Berechnungen der Bonner Behörde muss die Branche pro Jahr drei bis fünf Milliarden Euro zusätzliches Kapital aufbauen, um das am Risiko orientierte Regelwerk einzuhalten. Den Vorwurf von EU-Politikern, Solvency II sei zu zahm, ließ Hufeld nicht gelten: “Es ist sicher nicht branchenfreundlich.”
Die Europäische Union hatte sich kürzlich auf eine Einführung von Solvency II Anfang 2016 geeinigt, den Versicherern aber eine Übergangsfrist von 16 Jahren für die Umstellung ihrer Altbestände gewährt. Die Regeln seien nicht perfekt, aber es gebe keine Alternative, und die Versicherer müssten sich damit abfinden, sagte Hufeld. “Wir müssen jetzt springen – und Solvency II in der Realität etwas besser machen.”
Zugleich arbeitet der internationale Regelsetzer für die Versicherer, IAIS, an einem weltweiten Eigenkapitalstandard. “Die Amerikaner haben auf Solvency II gepfiffen – aber das hat sich geändert”, sagte Hufeld. Der weltweite Standard müsse unbedingt mit Solvency II kompatibel sein.
Der Finanzstabilitätsrat (FSB) der 20 größten Industrie- und Schwellenländer hatte neun “global systemrelevante Versicherer” benannt – darunter die Allianz, die mit schärferen Eigenkapitalauflagen belegt werden sollen. Die Branche hatte sich lange gegen die Auffassung gewehrt, dass ein Versicherer überhaupt so bedeutend sein könne, dass sein Aus das Finanzsystem ins Wanken bringen könnte. Hufeld widersprach: “Meine persönliche Ansicht ist: Ich glaube das schon. Aber das Konzept, wie der FSB sie ermittelt hat, ist nicht richtig.”
Die globalen Aufseher hätten sich an den Kriterien für Banken – wie Größe und globale Vernetzung – orientiert. Doch die Gefahr, die von den Versicherern ausgehe, komme vielmehr von ihrer Rolle als große Schuldner, deren Ausfall sich über Zweitrundeneffekte auf die Banken niederschlüge. Aber einen besseren Ansatz sehe auch er nicht.
Dass Rückversicherer wie Münchener Rück und Swiss Re bisher nicht als global systemrelevant eingestuft würden, liege an einem Streit über die Einstufung des US-Konzerns Berkshire Hathawaymit seinem Rückversicherer General Re. “Aber ich garantiere ihnen, da wird noch etwas passieren”, sagte Hufeld.