Österreichs größter Versicherungskonzern, die Vienna Insurance Group (VIG), peilt weitere Zukäufe in Zentral- und Osteuropa an. Die Gesellschaft verfüge über eine Kriegskasse von 1,5 Mrd. Euro, sagte VIG-Chef Peter Hagen am Mittwoch in Wien vor Journalisten. Derzeit habe man zwei bis drei Übernahmeziele im Visier. Namen verriet Hagen nicht.
Das größte Wachstumspotenzial sehen die Österreicher in der Ukraine, in Polen, in Rumänien und in Bulgarien. In diesen Ländern gibt ein Erwachsener durchschnittlich 160 bis 170 Euro pro Jahr für Versicherungen aus. Zum Vergleich: In Westeuropa sind es 2600 Euro. Mit dem zunehmenden Wohlstand steigen in Osteuropa auch die Ausgaben der Bevölkerung für Versicherungen. Doch es dürfte nach Einschätzung der VIG noch Jahrzehnte dauern, bis sich Osteuropa dem Niveau der Staaten Westeuropas annähern wird.
Besonders interessant ist für die Österreicher der stark zersplitterte Versicherungsmarkt in der Ukraine. “Wir sind dort die Nummer drei oder vier am Markt und wachsen jährlich um 20 bis 30 Prozent”, sagte Hagen. Die Ukraine mit 45 Millionen Einwohnern werde im Konzern ein Schwerpunkt werden. Denn die jährlichen Pro-Kopf-Ausgaben für Versicherungen liegen dort nur bei umgerechnet 50 Euro und damit wesentlich niedriger als in anderen osteuropäischen Ländern.
Seit Anfang 2000 haben die Österreicher mehr als 40 Gesellschaften erworben, aber mindestens doppelt so viele abgelehnt. Die VIG ist neben der deutschen Allianz in Zentral- und Osteuropa zu den führenden Assekuranzen aufgestiegen und kommt nach eigenen Angaben auf einen Marktanteil von 20 Prozent. Zuletzt hatten die Österreicher jedoch in der Übernahmeschlacht um den polnischen Versicherer Warta den Kürzeren gezogen. Warta wurde für 770 Mio. Euro vom deutschen RivalenTalanx erworben. Für die Vienna Insurance wäre das der bei Weitem größte Zukauf in ihrer Geschichte gewesen. Die VIG will sich nun in Zentral- und Osteuropa auf kleinere Akquisitionen konzentrieren.
Hagen geht davon aus, dass der Konsolidierungsprozess in der Region weitergehen wird. Aufgrund der strengeren Kapitalvorschriften unter dem EU-AufsichtsregelwerkSolvency II dürften in Osteuropa zunehmend lokale Gesellschaften zum Verkauf stehen. Aber auch internationale Versicherungskonzerne könnten sich aus der Region zurückziehen.
Ein Aktienrückkaufprogramm zur Beflügelung des Aktienkurses kommt für Hagen nicht infrage. Dadurch würde der Streubesitz, der ohnehin nur bei 30 Prozent liegt, weiter sinken, sagte Vorstandschef Hagen. Im ersten Halbjahr 2012 kletterten die Prämieneinnahmen um 11,7 Prozent auf 5,3 Mrd. Euro. Der Nettogewinn stieg um 7,5 Prozent auf einen Rekordwert von 231,3 Mio. Euro. In Polen schossen die Prämieneinnahmen um 91,2 Prozent auf 952,2 Mio. Euro in die Höhe.