Naturkatastrophen haben nach Angaben der Vereinten Nationen im vergangenen Jahr mit mindestens 380 Milliarden Dollar (287 Milliarden Euro) höhere wirtschaftliche Schäden verursacht als jemals zuvor. Hauptverantwortlich dafür seien die verheerenden Erdbeben in Japan und Neuseeland gewesen, sagte die Uno-Sonderbeauftragte für die Risikominimierung von Naturkatastrophen, Margareta Wahlström.
Aber auch Überschwemmungen wie beispielsweise in Thailand hätten erhebliche Schäden verursacht. Aufgrund besserer Frühwarnsysteme und Notfallpläne sei die Zahl der Todesopfer bei Naturkatastrophen proportional allerdings zurück gegangen, sagte Wahlström.
Die wirtschaftlichen Verluste lagen 2011 um zwei Drittel höher als 2005, als Hurrikan Katrina weite Teile des Südens der USA verwüstet und die weltweite Schadenssumme auf den bisherigen Rekordwert getrieben hatte. Die wichtigste Botschaft ist, dass wir es mit einem Trend steigender ökonomischer Verluste zu tun haben, sagte Wahlström. Die wirtschaftlichen Schäden von Naturkatastrophen sind zu einer ernsten Bedrohung für viele Länder geworden.
Aufgrund des Klimawandels, der Ausbeutung natürlicher Ressourcen, schlechter Bodennutzung und sich verschärfender Umweltprobleme steige das Risiko von Naturkatastrophen weltweit. Heute sind 50 Prozent der Weltbevölkerung hohen Risiken ausgesetzt, weil sie in gefährdeten Gegenden leben, sagte Wahlström.
Daher dringt der weltgrößte Rückversicherer Munich Re darauf, den Klimawandel wegen der Euro-Krise nicht zu vergessen. “Es ist traurig, dass die Risikoeinschätzung unabhängig von der objektiven Lage gewissen Moden unterliegt”, sagt Peter Höppe, oberster Risikoforscher des Konzerns.
Akute Probleme wie die Schuldenkrise würden das Langfristproblem Klimawandel derzeit verdrängen. “Das ist frustrierend, denn was heute beim Klimaschutz nicht getan wird, kann nicht mehr nachgeholt werden.” Dabei hat der Klimawandel nach Einschätzung der Katastrophen-Experten auch im vergangenen Jahr seinen Preis gefordert.
In der öffentlichen Aufmerksamkeit dominierte zwar das Erdbeben von Japan – das auch tatsächlich eine der Ursachen dafür war, dass 2011 bislang das teuerste Naturkatastrophen-Jahr aller Zeiten ist. Doch weitgehend unbemerkt von der Weltöffentlichkeit verursachten zudem heftige Stürme und Überschwemmungen ungewöhnlich hohe Kosten. “Wenn man die Erdbeben herausrechnet und nur die wetterbedingten Katastrophen nimmt, war 2011 immer noch das zweitteuerste Jahr nach 2005”, informiert Höppe. Damals hatte Hurrikan Katrina New Orleans zerstört.
Insgesamt verursachten wetterbedingte Naturkatastrophen – wie die Überschwemmungen in Thailand und Australien sowie Wirbelstürme in den USA – weltweit Schäden von 150 Milliarden Dollar; davon hatte die Assekuranz gut ein Drittel zu tragen. Dass es so viel war, davon ist Höppe überzeugt, hat auch etwas mit der globalen Klimaerwärmung zu tun. Zwar spielten auch andere Faktoren eine Rolle – wie natürliche Zyklen bei der Meerestemperatur -, doch passe das Jahr 2011 insgesamt ins Bild.
Während es bei nicht-klimabedingten Katastrophen wie Erdbeben keinen Zuwachs gebe, habe die Zahl der Wetterkatastrophen über die Jahrzehnte zugenommen. 2010 und 2011 gehörten zu den Jahren mit den meisten Hurrikans. Dabei fügte es sich noch glücklich, dass viele Stürme im Nordatlantik das Festland nicht erreichten. Hurrikan “Irene” etwa, der New York bedrohte, schwächte sich kurz vor der Metropole ab.
Allerdings wurden die USA 2011 durch besonders schwere Tornados geplagt. Stürme, Gewitter und Hagel verursachten in den USA versicherte Schäden von rund 26 Milliarden. Das ist mehr als doppelt so viel wie im bisherigen Rekordjahr 2010. Und der Trend scheint sich fortzusetzen: In den vergangenen Tagen hat erneut eine Serie von rund 100 Wirbelstürmen die Bundesstaaten in der Mitte und im Süden der USA heimgesucht.
Mehr als 30 Menschen starben; die Schäden gehen in die Milliarden. Auch in Deutschland schlägt der Klimawandel durch. 2011 war laut dem Versicherer Ergo das sturmreichste Jahr der letzten 40 Jahre. Früher gab es im Winter Stürme in Norddeutschland und im Sommer Hagel im Süden. Das hat sich geändert: “Eine Eingrenzung auf Regionen und Zeiten ist nicht mehr möglich”, sagt Ergo-Vorstand Christian Diedrich.
Vergangenes Jahr gab es etwa noch Ende September starke Hagelschauer, und noch im Dezember gewitterte es kräftig in Bayern. Der Versichererverband GDV hat zusammen mit dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, der Freien Universität Berlin und der Universität Köln untersucht, was der Klimawandel zukünftig für Deutschland bedeutet.
Das Ergebnis ist ernüchternd: Die Sturmschäden werden bis zum Jahr 2100 voraussichtlich um mehr als 50 Prozent zunehmen. Hochwasser, wie sie Deutschland heute im Durchschnitt alle 50 Jahre erlebt, treten künftig alle 25 Jahre auf. “Der Klimawandel ist vor unserer Haustüre angekommen”, erklärt GDV-Präsident Rolf-Peter Hoenen. Der GDV geht aber davon aus, dass Wetterschäden in Deutschland – anders als in anderen Erdteilen – weiterhin versicherbar bleiben.
Die Policen dürften aber teurer werden. Trotzdem: “Die Dringlichkeit, etwas zu tun, ist eher gestiegen”, meint Munich-Re-Experte Höppe. Dass das Thema in der öffentlichen Wahrnehmung an Bedeutung verloren habe, und sich die Staaten nicht auf ein Klimaschutzabkommen einigen konnten, sei bedauerlich. “Es wurde damit ein Freibrief erstellt, dass bis 2020 nichts Verbindliches passieren muss.” Da die Weltklimagipfel keine Ergebnisse brachten, schlägt Höppe vor, dass sich die sechs größten Verschmutzer – China, Indien, die USA, die Europäische Union, Russland und Japan – an einen Tisch setzen und nach Lösungen suchen.
Allerdings müssten auch hier die USA mitspielen, wonach es derzeit nicht aussieht. Die Diskussion, ob der Temperaturanstieg menschgemacht ist, sieht die Munich Re kritisch. So hatte der RWE-Manager Fritz Vahrenholt in einem Buch auf die Bedeutung des Sonnenfleckenzyklus hingewiesen. Eine verminderte Sonnenaktivität werde entgegen den Prognosen des Weltklimarats einen allzu starken Anstieg der Temperaturen in den kommenden Jahrzehnten verhindern. “Mit den Sonnenfleckenzyklen beschäftigen wir uns natürlich auch”, sagte Höppe. Es gebe hier aber keinen langfristigen Trend, der den Anstieg der Temperaturen auf der Erde und die häufigeren Naturkatastrophen erklären könne. “Wir gehen davon aus, dass die Erderwärmung mit großer Wahrscheinlichkeit vom Menschen gemacht ist.”