Angestellte des Ergo-Konzerns geben der Unternehmensführung Schuld an dem gewaltigen Imageschaden durch die jüngsten Ereignisse. Sie werfen der Konzernleitung eine Kultur des Vertuschens und Wegsehens bei Skandalen vor, solange die Verkaufszahlen stimmen. Das geht aus einem internen Blog im Ergo-Intranet hervor, den die FTD einsehen konnte.
Die Munich-Re-Tochter war wegen einer Sexreise von Vertretern nach Budapest, falschen Kostenausweisen auf Riester-Antragsformularen und Umdeckungen von Lebensversicherungen in Unfallpolicen in die Schlagzeilen geraten.
“Schlecht ist, dass dies erst durch Schmutzwerfer ans Tageslicht kommt”, moniert Mitarbeiter M. Es sei komisch, dass die Vertragsunregelmäßigkeiten erst durch die drei früheren Mitarbeiter des Ergo-Vertriebs HMI auffielen, die mit der Ergo im Clinch liegen. “Ich gehe vielmehr davon aus, dass es auch noch anderen beteiligten Personen frühzeitig auffiel, aber (…) lieber erst mal Stillschweigen bewahren, vielleicht kommt es ja gar nicht raus.” Auch Frau U. meint, dass nicht nur die Ex-Kollegen Kenntnis von Unregelmäßigkeiten hatten. “Nur wie so oft wurden Missstände oft auch billigend in Kauf genommen, wenn nur die Abschluss- und Verkaufszahlen ordentlich waren.” Hier räche sich jahrelanger Schlendrian.
“Wir haben kompetente Sachbearbeiter, die Pannen und Probleme nach oben melden”, schreibt ihre Kollegin D. “Aber wenn es mangelnde Kapazitäten oder hoher Aufwand nicht erlauben, wird es schon mal unter den Teppich gekehrt beziehungsweise aufgeschoben und dann vergessen.”
Werbekampagne mit Bekenntnis zur Transparenz
R. ist empört über die “Riester-Blamage” des Hauses – morgens das halbe Dementi, es habe nur Einzelfälle gegeben, gefolgt von dem Eingeständnis am Nachmittag, dass 14.000 Kunden betroffen sind. “Tatsache ist, dass dieser Fall größeren Schaden anrichtet als die Budapest-Geschichte.” Kunden hätten wörtlich gesagt, “Ergo bescheißt seine Kunden”.
Die Vertriebsorganisation HMI steht besonders im Fokus der Kritik. “Das gerade auch bei der HMI nicht immer alles optimal und korrekt gelaufen ist, ist konzernweit vielen mehr oder weniger bekannt”, glaubt Frau U..
Über das weitere Vorgehen herrscht Uneinigkeit. Einige empfehlen, sich mit den früheren Vertretern zu einigen. “Warum setzt man sich mit den HMI-Kollegen nicht an einen Tisch? Wer weiß, wie viele Trümpfe die Ex-Kollegen noch in der Hand haben?”, fragt B.
Andere Ergo-Mitarbeiter verlangen eine aktive Aufarbeitung von möglichen Skandalen. “Die Flucht nach vorn anzutreten, offen, fair, transparent, ist zumindest besser, als abzuwarten, was als Nächstes kommt”, verlangt Frau U.
Andere erwarten, dass eine neue Werbekampagne mit einem Bekenntnis zur Transparenz helfen könne. “Die Sache hat einen Haken”, hält Frau D. dagegen. “Der Fehler ist doch seit Jahren bekannt und nicht erst seit einer Woche.” Erst jetzt, wo die Sache von außen aufgedeckt worden sei, werde getan, was vor Jahren hätte getan werden müssen. “Das geht nach hinten los.”
Frau Z. weist in dem firmeninternen Blog zudem auf die Wirkung im Vertrieb hin. “Wann kann der Außendienst endlich mal wieder unbeschwert den Namen Ergo aussprechen und arbeiten? Wer ersetzt uns den Einkommensverlust?” Verlierer seien nicht nur die Aktionäre, sondern auch alle Vertriebler, die korrekt gearbeitet hätten.