Wenige Tage nach der Enthüllung des Sex-Skandals der Hamburg-Mannheimer zieht der erste Werbepartner seine Konsequenzen: Jürgen Klopp, der Trainer des deutschen Fußballmeisters Borussia Dortmund, lässt seinen Vertrag mit der Versicherung ruhen. “Was man von dieser Reise liest, kann man nur aufs Schärfste verurteilen”, sagte Klopps Berater, Marc Kosicke, dem Handelsblatt. “Wir verlangen eine lückenlose Aufklärung. Solange nicht klar ist, ob heute noch Teilnehmer der Reise für die Hamburg-Mannheimer aktiv sind, wird Herr Klopp keine Vorträge mehr für das Unternehmen halten.”
Klopp ist seit Juli 2010 offizieller Botschafter des Vertriebs der Hamburg-Mannheimer, der HMI. Der Meistertrainer hält vor Nachwuchskräften und Führungskräften Motivationsseminare zum Thema Führung, zuletzt im Frühjahr 2011 im Berliner Hyatt-Hotel. “Wie die HMI halte auch ich immer Ausschau nach außergewöhnlichen Talenten”, sagte Klopp bei der Vertragsunterzeichnung mit der Versicherung. “Die Verbindung zwischen Leistung und Verantwortung gefällt mir.”
Die Hamburg-Mannheimer gehört zur Ergo-Versicherungsgruppe. Zum Auftakt der Zusammenarbeit sagte der zuständige Ergo-Vorstand, Ludger Griese: “Jürgen Klopp passt ideal zur HMI und unseren 17.000 selbstständigen Partnern. Er steht wie kein anderer für die zentralen HMI-Werte Leistung, Respekt, Verantwortung und Spaß.”
Der Begriff Spaß hat jedoch bei der HMI inzwischen eine ganz andere Bedeutung erhalten. Bei der jetzt bekannt gewordenen Reise im Juni 2007 verwandelte die HMI die historische Gellert-Therme in Budapest in ein Freiluftbordell mit mindestens 20 Prostituierten. Die Frauen trugen farbige Bändern an den Handgelenken, um zu kennzeichnen, für welche Dienste und für welche der rund 100 Vertreter sie vorgesehen waren. In der Therme waren hierzu fünf große Himmelbetten aufgestellt.
“Jeder konnte mit einer der Damen auf eines der Betten gehen und tun, was er wollte”, erinnert sich ein Teilnehmer. “Die Damen wurden nach jedem solcher Treffen mit einem Stempel auf ihrem Unterarm abgestempelt. So wurde festgehalten, welche Dame wie oft frequentiert wurde.”
In der Mitarbeiterzeitung der HMI “Profil” stand später zu lesen: “Unglaublich, was man in der HMI wirklich erleben kann. Aus welchem Blickwinkel auch immer man diese Mega-Fete betrachtete, ein Mordsspaß war es auf alle Fälle. Jedenfalls haben wir bis zu diesem Zeitpunkt noch niemanden gefunden, der dabei war und nicht sofort wieder loslegen möchte.” Nach Angaben von Teilnehmer sind sowohl Führungskräfte der HMI als auch zahlreiche Versicherungsvertreter, die an der Party teilnahmen, auch heute noch für die Versicherung aktiv. Da die Veranstaltung als Bonus für die besten HMI-Vertreter reserviert war, muss Klopp annehmen, dass die Teilnehmer auch seine Seminare besuchen. Unterdessen prüft Ergo derzeit in alle Richtungen mögliche juristische Konsequenzen des Gelages, sagte Unternehmenssprecher Alexander Becker am Montag der Nachrichtenagentur dpa. Dabei gehe es sowohl um die Frage, ob im Zusammenhang mit der ausschweifenden Vertreter-Gratifikation gegen Strafrecht verstoßen wurde – etwa durch Förderung der Prostitution – als auch um mögliche zivilrechtliche Ansprüche gegen das Unternehmen. “Bislang gibt es dafür allerdings keine Indizien”, sagte Becker.
Die Sex-Party mit mindestens 20 Prostituierten war 2007 in der Budapester Gellert-Therme von der inzwischen zur Ergo-Gruppe gehörenden Hamburg-Mannheimer ausgerichtet worden. Dort wurde für ihre 100 besten Verkäufer der jahrelange Werbeslogan Wirklichkeit: “Hamburg-Mannheimer – Mehr vom Leben”. Der Vertriebsleiter, der zu der Reise eingeladen hatte, arbeitet ebenso wie das verantwortliche Vorstandsmitglied nicht mehr für das Unternehmen.
Das unanständige Angebot an die Top-Verkäufer bringt auch ihr bekanntes Werbegesicht, den biederen “Herrn Kaiser”, in die Bredouille. “Wir legen Wert auf die Feststellung, dass der Schauspieler, der Herrn Kaiser darstellt, nicht dabei war”, sagte Becker. Auch von den eingeladenen Versicherungsvertretern hätten nicht alle zugesagt, an der Reise teilzunehmen.