Die Berichterstattung über tausende von Beamten, die während ihrer Dienstzeit Versicherungen und Bausparverträge an ihre Kollegen vermitteln, hat die Bundespolitik aufgeschreckt. „Das Ministerium hat die aktuellen Medienberichte zum Anlass genommen, ein Informationsschreiben mit Erläuterungen zu den beamtenrechtlichen Regelungen des Nebentätigkeitsrechts an die Obersten Bundesbehörden zu versenden“, sagte der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Philipp Spauschus, dem Handelsblatt.

Zwar sei Praxis, Versicherungsverträge in Nebentätigkeit außerhalb der Dienstzeit zu vermitteln, grundsätzlich nicht zu beanstanden. Dies gelte jedoch nur, „wenn alle dienst- und datenschutzrechtlichen Vorschriften beachtet werden. Dies schließt selbstverständlich die Nutzung dienstlich erworbener personenbezogener Informationen für die Vermittlungstätigkeit aus“, sagte Spauschus.

Das Handelsblatt hatte in den vergangenen Tagen berichtet, dass allein für die Debeka-Versicherung aus Koblenz tausende von Beamten als sogenannte „Vertrauensleute“ bei der Vermittlung von Versicherungen helfen. Die Anwerbung von Vertrauensleuten werde dabei generalstabsmäßig geplant.

So solle etwa der Debeka-Mitarbeiter ein Gespräch mit den Worten einleiten: „Ich brauche Ihre Hilfe, ich brauche jemanden, der Augen und Ohren für mich offen hält. Dafür finanziere ich Ihnen nächstes Jahr Ihren Mallorca-Trip.“ Die besten Vertrauensmitarbeiter würden jährlich vom Debeka-Vorstand zu Reisen eingeladen und mit Geldprämien belohnt.

Doch nicht nur die Debeka, auch ihre Konkurrenten pflegen enge Kontakte zur Beamtenschaft. So berichtete das Handelsblatt von Polizisten, die nebenher für die Signal Iduna tätig sind, Richtern, die Bausparverträge der BHW vermitteln und Bundeswehrangehörigen, die sich für die Deutsche Beamtenversicherung DBV einsetzen. Alle Unternehmen betonten, die gesetzlichen Regelungen würden stets eingehalten.

Doch Beispiele aus der Praxis zeigen, dass teils unklar ist, was Haupt und was Nebenbeschäftigung sei. Ein Oberbrandmeister in Baden-Württemberg betreut nach eigenen Angaben 1000 Kunden für die Debeka, ein Oberkommissar in Hessen verdiente im Einsatz für gleich vier Versicherer innerhalb von sieben Jahren mehr als 500.000 Euro.

Der Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick warf der Bafin Untätigkeit vor. „Wozu haben wir eigentlich eine Finanzaufsicht, wenn diese die Berichte nicht zum Anlass nimmt, sich systematisch das Vertriebsmodell der Versicherungen anzuschauen?“, fragte er.

Axel Kleinlein, Vorsitzender des Bund der Versicherten (BdV), zeigte sich über das engmaschige Netz zwischen einzelnen Versicherern und der Beamtenschaft empört. Der Dienstherr habe die Pflicht, seine Mitarbeiter vor solchen Machenschaften zu schützen.

Das Handelsblatt bemüht sich um vollständige Aufklärung der Debeka-Affäre. Doch auch bei Konkurrenten wie BHW, DBV, DEVK, Huk Coburg und Signal Iduna gibt es offenbar noch Nachholbedarf. Dokumente, Arbeitsrichtlinien für den Einsatz von „Vertrauensmitarbeitern“ oder Tippgebern, Ausschreibungen zu Wettbewerben für Beamte, die Versicherungen vermitteln, oder Schulungsunterlagen für den Vertrieb können zu diesem Zweck in einem anonymen Briefkasten eingereicht werden. Sie erreichen ihn unter: https://handelsblatt-recherche.com.

Bitte beachten Sie, dass die Sendungen verschlüsselt werden und nicht rückverfolgbar sind. Falls Sie eine Kontaktaufnahme wünschen, schicken Sie bitte eine Nummer oder Mail-Adresse mit. Sollten Sie Kenntnis von ähnlichen Vorkommnissen bei anderen Versicherungen haben, können Sie uns auch hierzu Unterlagen zukommen lassen.