Viele Investmentbanker, Analysten wie Berater, sind chronisch überarbeitet. Das gilt auch für Berufsanfänger. Wie heftig die Anforderungen in den Topadressen sind, machte ein Todesfall klar. Ein Nachwuchsbanker war Mitte 2013 nach einer extrem langen Arbeitszeit gestorben. Der junge Deutsche absolvierte ein siebenwöchiges Praktikum bei der Bank of America in London. Laut der Gerichtsmedizin starb er an Epilepsie. Weil er häufig bis morgens um fünf gearbeitet hatte, wurde sein Tod aber schnell auch mit möglicher Überarbeitung in Zusammenhang gebracht.

Die Banken geloben daher seit einiger Zeit Besserung. Am schnellsten reagierte damals Goldman Sachs: Die Investmentbank kündigte an, für ihre Praktikanten gelte ab sofort die Fünf-Tage-Woche, sie sollten nur noch in Ausnahmefällen Arbeit mit in das Wochenende nehmen. DieBank of America wiederum empfahl ihren jungen Leuten in einem Rundschreiben, pro Monat mindestens vier Wochenendtage frei zu nehmen. JP Morgan hatte bereits angekündigt, mehr Leute einzustellen, um der Überarbeitung junger Mitarbeiter vorzubeugen.

Weniger Druck scheint bitter nötig. Anfang 2014 nahmen sich mehrere Investmentbanker das Leben. So sprang ein Investmentbanker von JP Morgan vom Dach des Londoner Büroturms der Bank in den Tod.

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Trotz der tragischen Ereignisse hat sich bisher wenig geändert. Im Grunde gar nichts, wenn man einem jungen Investmentbanker glauben darf, der auf dem Jobportal efinancialcareers.co.uk seine Erfahrungen schildert. Jim Keen, so sein Pseudonym, meint, es müsse sich nach wie vor viel ändern.

Keen kritisiert die Kultur in den Banken: „Was wenige verstehen, ist, dass die Fälle, in den sich junge Banker, buchstäblich zu Tode gearbeitet haben, weder außergewöhnlich sind noch die Folge besonderer individueller Gesundheitsbeschwerden.“ Sie seien vielmehr die zwangsläufige Folge einer mächtigen Kultur, die junge Banker dazu bringe, an ihre Grenzen zu gehen – und das wieder und wieder. „Nach meiner Erfahrung ist es nicht selten, dass Analysten auf der Toilette schlafen oder weinen. Zusammenbrüche und Burnout kommen häufig vor.“

Der junge Analyst, der seit gut zwei Jahren bei einer führenden Investmentbank arbeitet, beschreibt die Maßnahmen der Geldhäuser, die Arbeitsbelastung zu mindern, als Augenwischerei: „Es ist schwierig zu erkennen, wie die neue öffentliche Debatte über Work-Life-Balance dazu passt, dass einige große US-Banken insgeheim eine 75 bis 80-Stunden-Woche anpeilen.“

Einige Vorgaben sind seiner Ansicht nach keine Abhilfe, ganz im Gegenteil: Keen meint beispielsweise, dass die Vorgabe, nicht am Wochenende zu arbeiten, nur zu noch längeren Arbeitstagen unter der Woche führe. Auch die Urlaubsrichtlinien einer der Topbanken, die Keen nennt, wirken nicht gerade wie eine Entlastung für deren Mitarbeiter: Es werde erwartet, dass die Mitarbeiter immer ihre Notebooks dabei hätten. E-Mails müssten täglich gelesen und beantwortet werden. Die Empfehlung am Schluss: bitte keine Abwesenheitsnotiz aktivieren.

Die Schlussfolgerung des anonymen Nachwuchsanalysten: Der einzige Weg, das Arbeitsumfeld junger Banker, die ihre Karriere in der Londoner City starten, zu ändern, sei die Kultur unter Managern der mittleren Führungsebene und im Topmanagement zu ändern.