FrankfurtDer Versicherer Talanx prüft wegen der Niedrigzinsen und schleppender Geschäfte eine Abwicklung seiner Lebensversicherungs-Tochter HDI Leben. Bis Jahresende werde eine Grundsatzentscheidung fallen, sagte Talanx-Chef Herbert Haas der “Süddeutschen Zeitung” (Dienstagausgabe). “Wir gehören nicht zu den Lebensversicherern mit der höchsten Überschussbeteiligung oder der stärksten Finanzkraft.” Das Neugeschäft der HDI Leben sei zuletzt eingebrochen. Daraus müsse Talanx Konsequenzen ziehen. Die Problemtochter macht weniger als zehn Prozent des Konzernumsatzes aus, die Lebensversicherung inklusive anderer Marken insgesamt rund 17 Prozent. “Wir haben vier Standbeine, von denen drei stärkeres Wachstums-Potential ausweisen. Das ist die Industrieversicherung, das internationale Geschäft mit Privat- und Firmenkunden und unsere Rückversicherungstochter Hannover Rück.”
Nach Haas’ Worten gibt es mehrere Möglichkeiten: HDI Leben könne einfach kein Neugeschäft mehr annehmen und die bestehenden Verträge abwickeln. Oder es würden nur noch ausgewählte Produkte bei HDI Leben verbleiben und der Rest auf die übrigen Lebensversicherer des Konzerns – PB Leben, Targo Leben, Neue Leben – umgelenkt. Diese Marken laufen besser, weil sie anders als HDI Leben ihre Produkte über Banken vertreiben und dort viele Sparer ansprechen. Und letztlich sei auch der Verkauf des Komplettbestandes der HDI Leben an einen Spezialisten möglich, der das Geschäft dann über die Zeit auslaufen lasse, erläuterte der Talanx-Chef.
Wegen der anhaltenden Niedrigzinsen und der ultralockeren Geldpolitik der Notenbanken fällt es den Lebensversicherern immer schwerer, ihren Kunden die in guten Zeiten versprochenen, teils noch üppigen Zinsen von vier Prozent und mehr zu liefern. Denn klassische Anlagen wie Staatsanleihen werfen kaum noch etwas ab. Viele Versicherer und Pensionskassen drängen deshalb zwar in renditestärkere Investments wie Private Equity, Immobilien oder Infrastrukturprojekte. Doch bis diese Geschäfte richtig angelaufen sind und verlässliche Einnahmen generieren, vergeht viel Zeit – die nicht alle Versicherer haben. Gerade kleinere Anbieter, denen im Vergleich zum großen Verwaltungsaufwand die kritische Masse an Kunden fehlt, haben Probleme.
Finanzinvestoren wittern darin eine Chance. Prominentestes Beispiel ist Cinven. Die Beteiligungsgesellschaft kündigte erst im August an, in Deutschland groß in das Geschäft mit Lebensversicherungen einzusteigen. Erster Schritt ist die Übernahme der Heidelberger Leben von der britischen Großbank Lloyds. Die Heidelberger Leben, groß geworden mit fondsgebundenen Lebensversicherungen, soll zur Plattform werden, um mittelfristig weitere Bestände anzudocken. Gerade fondsgebundene Lebensversicherungen versprechen den Finanzinvestoren stetige Provisionen von den Fondsanbietern – ohne Kapitalmarktrisiko, das Lebensversicherer gewöhnlich zu tragen haben.
Ob auch Talanx-Chef Haas mit einem Finanzinvestor ins Geschäft kommt, ist offen. “Wir prüfen das nur, Kostensenken und Kapitalanlagerendite erhöhen ist die Option, die wir gerade verfolgen”, betonte er. Im Privatkundengeschäft in Deutschland will er 145 Millionen Euro an Kosten herausholen, auch ein schon länger laufender Stellenabbau gehört dazu. Insgesamt steht der Konzern allerdings sehr solide da: Erst im Sommer hatte Haas die Jahresziele nach oben geschraubt und 2013 ein Konzernergebnis nach Steuern von rund 700 (bislang: 650) Millionen Euro in Aussicht gestellt.