Die Vorwürfe ihrer Kunden kennen die Lebensversicherer seit Jahren: Zu starr und zu unflexibel sei ihr Produkt. Nicht mehr mit den Lebensentwürfen gerade jüngerer Menschen sei das Produkt zu vereinbaren. Denn zum Lebenslauf gehören immer öfter eine Auszeit, ein Sabbatical oder ein kompletter Bruch im Arbeitsleben. Stattdessen sehen die Verträge der Lebensversicherer noch immer eine regelmäßige und über Jahrzehnte laufende Einzahlung vor, die am Ende der Laufzeit in eine hohe Summe zur Vorsorge im Alter mündet.
Der deutsche Marktführer Allianz steuert nun als erster im Markt um. Statt nur regelmäßig einzuzahlen, sollen Kunden künftig auch flexibel zuzahlen oder pausieren können. Sogar die Auszahlung von Beträgen soll möglich sein. Dass mit dem neuen Produkt mit dem Namen „Fourmore“ vor allem junge Kunden angesprochen werden sollen, versteht sich.
„Wir erreichen damit nun eine Zielgruppe, die wir bislang nicht systematisch erreicht haben“, sagt Volker Priebe, Produktvorstand von Allianz Leben, im Gespräch mit dem Handelsblatt. Die waren in den vergangenen Jahren zunehmend abgeschreckt von Lebensversicherungen. Die Zahl der Verträge in Deutschland war kontinuierlich gesunken. Die Beitragseinnahmen gehen seit dem Jahr 2014 zurück, ebenso die Zahl der Verträge. Sie liegt aktuell noch bei 84,1 Millionen.
Unter Druck steht die Branche dabei von vielen Seiten. Besonders die nun schon seit Jahren anhaltende Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank zwingt die Assekuranzen zu Veränderungen. Viele von Ihnen haben immer noch hohe Bestände an Altverträgen, in denen Kunden Garantien von 3,5 Prozent oder gar vier Prozent garantiert werden.
Die sind am Markt längst nicht mehr zu erwirtschaften. Zumal die langlaufenden Staatspapiere mit solchen Renditen, die die Versicherer zu deren Absicherung einst gekauft haben, auslaufen und die frei werdenden Summen nicht mehr zu solchen Konditionen angelegt werden können.
Bei Neuverträgen hat längst ein Umdenken stattgefunden
Immer öfter kommt es deshalb vor, dass Versicherer ihre Altbestände an Abwicklungsgesellschaften verkaufen. Zuletzt hatte Generali von sich reden gemacht, die rund vier Millionen Altverträge an die Viridium-Gruppe abgeben will.
Verbraucherschützer und Teile der Politik hatten deswegen Kritik geäußert. Bei Neuverträgen findet in der Branche ohnehin schon seit einigen Jahren ein Umdenkprozess statt. Da bei klassischen Verträgen mit festen Garantien nur noch 0,9 Prozent garantiert werden, wählen immer mehr Kunden flexible Produkte zumeist auf Fondsbasis, bei denen lediglich die eingezahlten Beiträge garantiert werden.
Dass das neue Produkt der Allianz wegen der höheren Flexibilität auch eine andere Kostenstruktur haben wird, versteht sich. „Vier Prozent werden zu Anfang als Kosten entnommen, zum Ende der Laufzeit bekommt der Kunde mindestens die eingezahlte Summe aber wieder vollständig zurück“, sagt Volker Priebe.
Allianz-Chef Oliver Bäte hatte zuletzt schon mehrfach angekündigt, dass in diesem Jahr eines der beherrschenden Ziele im Konzern ist, die Produktwelt einfacher und intuitiver zu gestalten. Die Digitalisierung ist dabei der wesentliche Treiber.
Mehr als 300 Mitarbeiter haben bei der Allianz am neuen Produkt gearbeitet, heißt es aus der Stuttgarter Zentrale des Lebensversicherers. Auch viele aus der Zukunftswerkstatt, die der Konzern vor wenigen Jahren in gut einem Kilometer Entfernung von der Stuttgarter Zentrale eingerichtet hat.
Solche neuen Einheiten haben mittlerweile viele Versicherer. Schon bald dürften deswegen auch dort wesentlich flexiblere Lebensversicherungsprodukte präsentiert werden.
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