Die Münchener Rück kann sich der Euro-Krise halbwegs entziehen und gibt sich nach einem überraschend guten zweiten Quartal optimistischer für das Gesamtjahr. Der weltgrößte Rückversicherer deutete am Dienstag an, trotz Belastungen durch den Umbau der Tochter Ergo und den historisch niedrigen Zinsen bei Kapitalanlagen 2012 mehr verdienen zu können als bislang gedacht. Von April bis Juni stieg der Nettogewinn um zehn Prozent auf 808 Millionen Euro, obwohl Analysten mit einem Rückgang gerechnet hatten. Die Aktie des Dax-Konzerns verteuerte sich um über ein Prozent auf knapp 119 Euro.
Konzernchef Nikolaus von Bomhard warnte jedoch vor zu hohen Erwartungen. Eine erneute Eskalation der Schuldenkrise und hohe Schäden durch die Dürre sowie die Hurrikan-Saison in den USA könnten das Blatt schnell wenden. Die negativen Szenarien hätten zuletzt an Wahrscheinlichkeit gewonnen.
Die Münchener Rück – mit über 200 Milliarden Euro einer der größten Investoren am Kapitalmarkt – bereite sich auf alle Möglichkeiten vor. Es würden wenig Risiken eingegangen, alle Investments abgesichert, versicherte von Bomhard. Die Kehrseite: Wieder angelegte Gelder bringen im Schnitt nur noch 2,8 Prozent ein.
Von Bomhard bekräftigte seine Forderung, Investmentbanken von auf Privatkunden spezialisierten Geldhäusern zu trennen, was auch zu einer Zerschlagung der Deutschen Bank führen würde. “Ich würde den Ball zur Bank zurückspielen”, sagte der langjährige Versicherungsmanager. Sie müssten dann gegenüber den Aufsichtsbehörden beweisen, welche Teile des Investmentbankings wirklich notwendig für das Kerngeschäft seien. “Das führt de facto zur Abtrennung des Eigenhandels.”
Die Münchener Rück macht der Branche mit ihren guten Quartalszahlen Hoffnung. Die Konkurrenten Swiss Re und Hannover Rück wollen ihre Bilanzen ebenfalls diese Woche vorlegen. Hier werden ähnliche Trends erwartet: Die Belastungen aus Naturkatastrophen dürften zurückgehen, die Einnahmen an den Börsen mit Anleihen, Aktien und Derivaten zulegen.
Bei der Münchener Rück half zudem eine niedrige Steuerquote. “Im ersten Halbjahr haben wir mit einem Gewinn von 1,6 Milliarden Euro deutlich mehr als die Hälfte unserer Zielmarke von 2,5 Milliarden Euro erreicht”, so von Bomhard. “Damit sind wir auf gutem Kurs, den ursprünglich angestrebten Jahresgewinn leicht zu übertreffen.” Analysten rechnen im Schnitt mit mindestens 2,7 Milliarden Euro.
Die Belastungen aus Großschäden summierten sich im abgelaufenen Quartal auf 452 (Vorjahr 638) Millionen Euro. Die verheerende Dürre in den USA wirkt sich dabei mit 160 Millionen Euro am stärksten aus – schon jetzt eine Rekordbelastung. Im hohen zweistelligen Millionen-Bereich liegen das Erdbeben in der norditalienischen Region Emilia-Romagna sowie ein Tornado in den USA.
Nach den immensen Lasten 2011 unter anderem durch die Erdbeben in Japan und Neuseeland kann die Münchener Rück weiter moderate Preiserhöhungen durchsetzen. Im Juli wurden Kundenverträge im Volumen von 1,9 Milliarden Euro in den USA, Australien und Lateinamerika neu verhandelt. Dabei hätten die Beitragseinnahmen um 18,5 Prozent zugelegt, die Preise um rund zwei Prozent.
Die endgültigen Dürre-Schäden stehen noch nicht fest: “Das kann sich noch verändern, wird sich erst im Oktober zur Ernte zeigen”, sagte Vorstandsmitglied Torsten Jeworrek. Neben der Ernte würden aber auch die dann erzielbaren Verkaufserlöse der Bauern an den Märkten über die Versicherungslasten entscheiden. Die extreme Trockenheit im Juni und Juli komme in dieser Form statistisch nur ein Mal in 50 Jahren vor. Im August werde es vermutlich kaum Regen geben. Dürren seien eine der am meisten unterschätzten Naturgefahren. Der Klimawandel werde öfter zu solchen extremen Trockenphasen führen.
Probleme hat der Rückversicherer auch mit der Düsseldorfer Ergo, die momentan ihren Vertrieb umbaut und wegen Sonderlasten von mindestens 100 Millionen Euro ihr Gewinnziel für 2012 nicht halten kann. Die Prognose stand bislang bei 400 Millionen Euro, im ersten Halbjahr waren es 255 (Vorjahr: 178) Millionen.
In der Lebensversicherung, die mit ihren Garantienversprechen auf Sicht von 30 bis 40 Jahren am stärksten unter den anhaltend niedrigen Zinsen leidet, kämpft die Ergo in Deutschland mit rückläufigen Beitragseinnahmen und einem schwachen Neugeschäft. “Die Kunden tun sich schwer, sich langfristig zu binden”, sagte Ergo-Chef Torsten Oletzky. Zudem baut die Ergo den Vertrieb um, wobei bis zu 1350 Stellen gestrichen werden.