Die Swiss Re, der weltweit zweitgrößte Rückversicherer, bläst zum Angriff auf eine Domäne der Allianz: der Industrieversicherung. Dazu hat die Swiss Re eine eigene Geschäftseinheit gegründet, genannt Corporate Solutions. Chef der Sparte ist der Italiener Agostino Galvagni. Der Manager, der fließend Deutsch spricht, hat Großes vor: „Wir streben zweistelliges Prämienwachstum an“, sagt er dem Handelsblatt. Bis 2015 will er die Prämieneinnahmen auf bis zu fünf Milliarden Dollar steigern. Das entspräche einer Verdoppelung, verglichen mit den Zahlen von 2011.

 

Derzeit ist die Swiss Re im Industriegeschäft primär in den USA aktiv; auch das will Galvagni ändern. „Der Anteil in Europa soll steigen und damit logischerweise auch der Anteil Deutschlands“, sagt er. Vor allem die deutschen Top-100-Konzerne hat er dabei im Visier.

Die Schweizer formulieren damit eine Kampfansage an die Platzhirsche im Industriegeschäft der Allianz und HDI-Gerling. Eigentlich sind Rückversicherer Partner der sogenannten Erstversicherer. Denn Rückversicherer nehmen Allianz & Co einen Teil ihrer Risiken ab.

Das reicht der Swiss Re aber nicht mehr. Sie ist auf der Suche nach neuen Wachstumsfeldern. „Denn der Rückversicherungsmarkt wächst langsamer als der Erstversicherungsmarkt“, erklärt Galvagni.

Das liegt daran, dass sich der Markt der Erstversicherer immer weiter konsolidiert. Beispiel Deutschland: Als der Kölner Traditionskonzern Gerling in Not geriet, schlug die Hannoveraner HDI zu. Je größer aber ein Erstversicherer ist, desto weniger braucht er die Hilfe eines Rückversicherers.

Deshalb macht die Swiss Re nun ihren eigenen Kunden Konkurrenz. „Das macht durchaus Sinn, denn das Industriegeschäft hat vergleichbare Eigenschaften wie das Rückversicherungsgeschäft und die Swiss Re kann ihr Risiko-Know-how in einem weiteren Feld einsetzen“, meint Daniel Bischof, Versicherungsanalyst des Brokers Helvea. „Für etablierte Adressen wie Allianz oder HDI-Gerling sind Rückversicherer wie Swiss Re durchaus ernstzunehmende Marktteilnehmer“, meint Georg Bräuchle, Geschäftsführer des Maklers Marsh.

Schwierig würde es aber, in Deutschland im Industriegeschäft Fuß zu fassen. „Der Markt ist verteilt“, so Bräuchle. „Der deutsche Markt ist einer der schwierigsten“, sagt auch Swiss-Re-Manager Galvagni; zum einen gäbe es starke Mitbewerber, zum anderen seien die Industriekunden ihren Versicherern vergleichsweise treu. „Die wechseln nicht den Versicherer, weil einer fünf Prozent billiger ist.“

Swiss Re will unter anderem mit ihren tiefen Taschen punkten: Analysten schätzen, dass der Konzern derzeit sieben Milliarden Dollar Kapital mehr in der Bilanz hält, als nötig wäre, um das „AA“-Rating zu halten. „Wir müssen niemanden um Versicherungskapazität fragen“, sagt Galvagni, sprich: Sein Haus sei als Partner besonders verlässlich. „Wir werden aber nicht als Preisbrecher Marktanteile erobern“, betont er.

Marsh-Experte Bräuchle dagegen meint, dass Wachstum im deutschen Markt fast nur noch über Verdrängung möglich sei. „Und hier spielt der Preis eine wichtige Rolle.“

Die Schweizer wollen neben ihrer Kapitalstärke mit Innovationen punkten, etwa bei der Versicherung von Offshore-Windparks. „Swiss Re hat große Erfahrung bei der Versicherung von Wetterrisiken“, sagt Galvagni, „wir können Windparkbetreiber gegen das Risiko versichern, dass der Wind weniger stark als erwartet bläst.“