Die Selbstkritik war nicht mal zwischen wohlgeformten Worten versteckt. „Es ist ein Versäumnis, dass wir es nicht schon früher gemacht haben“, redete Stefan Daehne nicht lange herum. Der Vorstand der ADAC Versicherung AG, der erst im vergangenen Herbst von der Ergo gekommen ist, baut ab sofort das Rechtsschutz-Programm des Automobilclubs deutlich aus.
Neben dem Kfz-Rechtsschutz können Kunden nun ihren Vertrag auch um Privat-, Wohn- und Berufs-Rechtsschutzleistungen erweitern. Also um Dinge, die nicht mehr nur im Umfeld des Automobils angesiedelt sind. Hier hat der Club mit seinen 20 Millionen Mitgliedern nach wie vor seine Heimat.
Dass sich die Versicherungssparte jetzt für andere Bereiche öffnet, hat viel mit dem generellen Wandel in der Absicherung von Rechtsstreitigkeiten zu tun. Viele Wettbewerber bieten inzwischen ein Gesamtpaket an. Bestehende Rechtsschutz-Kunden des ADAC bekamen den Kfz-Schutz oft für wenige Euro mehr pro Jahr bei anderen Versicherern – und kündigten. In den vergangenen Jahren schrumpfte deshalb der Bestand beim ADAC um zwei bis vier Prozent. Zuletzt hatte man noch 2,1 Millionen Versicherte.
Künftig soll es andersherum laufen. Der Automobilclub will seinen Kunden ein Gesamtpaket anbieten. Zudem soll das Produkt auch Nichtmitgliedern offenstehen. Wer jedoch im Club ist, der soll fünf Prozent des Beitrags sparen und auch bessere Leistungen bekommen, so das Versprechen.
Generell leiden die deutschen Rechtsschutzversicherer darunter, dass die Kosten bei einem Rechtsstreit immer weiter steigen. Erst vor kurzem hat der Branchenverband GDV gemeldet, dass Gerichts- und Anwaltskosten in den Jahren 2012 bis 2016 um 19 Prozent angezogen haben. Rund 1,5 Millionen Zivilprozesse werden Jahr für Jahr in Deutschland geführt.
Wie teuer das für Betroffene werden kann, zeigt ein einfaches Beispiel: Wer den Kaufvertrag eines Mittelklasse-Wagens rückabwickeln will, muss hier in erster Instanz schon mit einem Kostenrisiko von über 8.000 Euro rechnen.
Kein Wunder, dass eine Reihe von Rechtsschutz-Anbietern seit längerem Verluste schreiben. Beim ADAC betonen sie zwar, dass sie stets Gewinn gemacht haben. Allzu hoch kann dieser aber nicht ausgefallen sein. Konkrete Zahlen für das abgelaufene Jahr soll es erst im Juli geben.
Neuaufstellung des Automobilclub
„Es wird ein positives Ergebnis im Rechtsschutz sein wie in all den Jahren davor“, betont Marion Ebenteuer, Vorstand für Versicherungen bei der Mutter ADAC SE. Die Beitragseinnahmen lagen 2016 bei rund 140 Millionen Euro. Da eine Beitragserhöhung anstand, dürfte die Zahl 2017 gestiegen sein.
Für den Automobilclub ist die Erweiterung der Produktpalette ein weiterer Schritt in der Neuaufstellung. Vor vier Jahren durchlebte der ADAC eine schwere Krise, als die Manipulationen beim Automobilpreis „Gelber Engel“ publik wurden und anschließend etliche weitere Skandale aufgedeckt wurden.
Als Marschrichtung haben sich die Münchner nach dem Skandal ein Drei-Säulen-Modell verordnet. Es besteht aus dem eigentlichen Verein, einer Aktiengesellschaft mit den geschäftlichen Aktivitäten inklusive der Versicherungssparte, sowie der ADAC Stiftung, die sich vor allem mit Forschung beschäftigen soll. Seit geraumer Zeit steigen die Mitgliederzahlen, die in den Zeiten der Krisen massiv gesunken waren, wieder an.
Der ADAC übernimmt derweil immer mehr die Vertriebstaktiken der Versicherungsbranche. Das Angebot im Internet soll auch beim Automobilclub zu einem geläufigen Vertriebsweg werden – neben dem Vertrieb per Geschäftsstelle und Telefon.
Selbst auf Vergleichsportalen soll das Versicherungsangebot demnächst auftauchen, auch wenn Vorstand Stefan Daehne eine Platzierung wegen der hohen Gebühren als „süßes Gift“ bezeichnet. „Aber wir machen den Test, um auch hier zu lernen“, begründet er den Schritt.
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