Der Versicherer Allianz erwägt, sich den Kreditversicherer Euler Hermes komplett einzuverleiben. Der Deal würde rund 1,5 Milliarden Euro kosten. Eine Summe, die die gut kapitalisierten Münchener jederzeit stemmen könnten.
Oliver Bäte hat aus seinen Absichten nie einen Hehl gemacht. „Wir würden uns natürlich gerne verstärken“, sagt er noch Anfang Mai auf der Hauptversammlung in München. Interessant seien für Europas größten Versicherer dabei vor allem Sachversicherer oder Vermögensverwalter, jedoch keine Lebensversicherer. Etwa fünf Wochen später scheint der 52-Jährige Vorstandschef bei seiner Suche ein konkretes Ziel ins Visier genommen zu haben. Wie aus dem Umfeld des Konzerns zu hören ist, denkt der Münchener Gigant darüber nach, den deutsch-französischen Kreditversicherer Euler Hermes komplett zu übernehmen. „Wir wären fahrlässig, wenn wir nicht darüber nachdenken würden“, sagte ein Manager, der namentlich nicht genannt werden wollte.
Wenige Woche nach der Entscheidung, einen Topf von drei Milliarden Euro für Übernahmen an die Aktionäre auszuschütten, denkt der Dax-30-Konzern damit erneut über eine größere Akquisition nach. Der Münchener Versicherer, der bereits rund 63,9 Prozent der Euler-Anteile hält, spreche mit Beratern über den Kauf der restlichen Papiere, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf mit der Sache vertraute Personen. Als erstes Medium hatte Bloomberg über die Pläne berichtet. Diese Anteile hätten einen Marktwert von rund 1,5 Milliarden Euro. Eine Entscheidung sei aber noch nicht gefallen, hieß es ausdrücklich. Ein Sprecher der Allianz lehnte ebenso wie Euler Hermes einen näheren Kommentar zu dem Thema ab. „Wir kommentierten generell keine Spekulationen“, betonte der Allianz-Sprecher.
Die Investoren wittern jedoch einen Deal. Der Kurs der in Paris notierten Euler Hermes-Aktien machte bereits in den vergangenen Tagen einen Sprung, nachdem die Papiere seit Anfang des Jahres bereits kräftig zugelegt hatten. Analysten würden eine Übernahme positiv bewerten. „Es wäre eine wenig riskante Transaktion, da die Allianz bereits 63 Prozent an Euler hält“, schreibt Michael Huttner, Experte beim Investmenthaus J.P Morgan in einer aktuellen Kurzstudie. Zudem erwartet die US-Bank, dass sich der Markt für Kreditversicherer in den nächsten Jahren verbessere. Ein Buyout von Euler wäre für Allianz vorteilhaft, urteilt auch Kamran Hossain von RBC Capital Markets. Die Allianz könne den Deal stemmen, ohne den laufenden Aktienrückkauf dafür abbrechen zu müssen.
Für Bäte könnte eine komplette Übernahme von Euler eine wertvolle Verstärkung sein. Schon heute arbeiten Allianz und Euler eng zusammen. Euler ist das größte Kreditversicherungsunternehmen der Welt und machte im Jahr 2016 rund 2,6 Milliarden Euro Umsatz. Heute ist der Hauptsitz der in Berlin gegründeten Gesellschaft in Paris, wo die Firma auch an der Börse notiert ist. Seit über 100 Jahren sichert der Kreditversicherer Unternehmen ab, um sie gegen Zahlungsausfälle ihrer Abnehmer vor allem im Export zu schützen. Insbesondere die „Hermesbürgschaften“ haben es zu breiter Bekanntheit gebracht.
Die Kreditversicherung ist ein lukratives Geschäft, das die Renditeerwartungen von Bäte erfüllen dürfte: 2016 kam Euler mit insgesamt 5800 Mitarbeitern auf eine respektable Eigenkapitalrendite von 10,8 Prozent. Strategisch würde Euler der Allianz allerdings nur bedingt weiterhelfen. Bäte möchte das Geschäft der Allianz vor allem in den USA und im Wachstumsmarkt Asien ausbauen, während Euler den Großteil des Geschäfts mit europäischen Firmen macht.
Schluckt die Allianz also Euler Hermes ganz? Bäte sei ständig auf der Suche, sagt ein Investmentbanker vor einigen Monaten. So soll die Allianz bereits vor rund einem Jahr beim Rivalen Zurich angeklopft haben, wie mehrere Insider berichten. Damals hatten die Schweizer gerade die Übernahme der britischen RSA in den Sand gesetzt. Ob es der Allianz damals um eine komplette Übernahme des Konzerns oder von Teilen ging, ist unklar. Doch Zurich-Chef Mario Greco hat offensichtlich anderes im Sinn, als sich unter die Fittiche der großen Allianz zu begeben.
Für Bäte wäre die Komplettübernahme von Euler die erste große Akquisition seiner Amtszeit. Im vergangenen November hatte der Allianz-Chef selbst Übernahmespekulationen angeheizt, als er offen bekannte, noch habe sich die Gelegenheit nicht ergeben, ein gutes Unternehmen zu anständigen Preisen zu kaufen. Im Frühjahr war der Allianz immer wieder konkretes Interesse an Zukäufen nachgesagt worden. Als Kandidaten wurden der australische Versicherer QBE Insurance und Teile der italienischen Generali-Gruppe gehandelt. Doch ein großer Deal kam bislang nicht zustande.
Bäte hatte jedoch bereits im Februar klargestellt, dass der Konzern auch nach dem Ausschüttungsprogramm jederzeit in der Lage wäre, eine Großakquisition zu stemmen. Sofern es Gelegenheiten gebe, wolle die Allianz sie nutzen, und zwar vornehmlich in der Sachversicherung. „Es gibt Märkte, wo wir vom Marktanteil her größer sein könnten“, sagt Bäte damals. Nicht nur die Investoren von Euler Hermes werden nun gebannt verfolgen, ob der Pariser Kreditversicherer für Bäte eine solche Gelegenheit darstellt.
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