Der Autohersteller Daimler will das Geschäft mit KFZ-Versicherungen kräftig ausbauen. Wie das Unternehmen bekanntgab, wird es künftig eine Haftpflicht für gebrauchte Mercedes und Smart anbieten. Rund 20 Prozent aller neuen Mercedes werden heute bereits mit dem passenden Versicherungsschutz ausgeliefert. Vor vier Jahren waren es noch unter zehn Prozent. Der Bestand der über Daimler weltweit direkt versicherten Fahrzeuge hat sich im selben Zeitraum auf über zwei Millionen verdoppelt. “Wir wollen in einem ähnlichen Tempo weiterwachsen”, sagt Hanns Martin Schindewolf, Chef der Versicherersparte Daimler Insurance Services. “Der Markt ist in Bewegung, und wir geben jetzt richtig Gas.”
Daimler ist im Versicherungsvertrieb ein Nachzügler und will aufholen. Als ein wichtiges Vorbild gilt Volkswagen: Die Wolfsburger bieten schon seit Jahrzehnten Versicherungen an und verkaufen rund jeden vierten Neuwagen mit einer Police. Im vergangenen Jahr steigerte Volkswagen die Zahl der neuen Versicherungsverträge nochmals um rund 27 Prozent auf über 900 000. Der Bestand an Verträgen erhöhte sich um 20 Prozent auf 2,63 Millionen.
Autohersteller spielen Preismacht gegenüber Versicherern aus
Die Autohersteller versichern dabei die Fahrzeuge nicht selbst, sondern kümmern sich vorrangig um den Vertrieb und sind Ansprechpartner für die Kunden. Das versicherungstechnische Risiko trägt ein Versicherungskonzern. Daimler kooperiert in Deutschland mit HDI-Gerling und Zurich, weltweit auch mit der Allianz. Der Vertrag mit HDI-Gerling läuft bis zum Winter 2013. Aktuell läuft die Ausschreibung.
Für die Versicherer sind solche Kooperationen interessant, da sie so ein gewaltiges Kundenpotenzial heben können. Allein Daimler vermittelt jährlich ein Prämienvolumen von rund einer Milliarde Euro. Andererseits haben die Autohersteller eine große Marktmacht, die Versicherer müssen bei den Konditionen entsprechend Zugeständnisse machen.
Der Konkurrenzkampf im Markt ist enorm. KFZ-Policen gelten als Türöffner für weitere Versicherungsarten, daher akzeptieren viele Versicherer sogar rote Zahlen. Branchenweit hat sich die Schaden-Kosten-Quote 2011 das siebte Jahr in Folge verschlechtert, sie liegt inzwischen laut dem Branchenverband GDV bei rund 108 Prozent. Das heißt, die Kosten für Schäden und Verwaltung übertreffen die Prämieneinnahmen um acht Prozent. Das versicherungstechnische Ergebnis der KFZ-Versicherer ist mit einem Verlust von 1,6 Milliarden Euro tiefrot.
Einige Anbieter wie der Marktführer Huk-Coburg ziehen auch vor diesem Hintergrund bei den Kooperationen mit den Autoherstellern nicht mit. “Der Markt braucht eine weitere Prämienanhebung”, sagt der zuständige HUK-Coburg-Vorstand Klaus-Jürgen Heitmann. Sein Unternehmen habe die Durchschnittsprämie zuletzt um 4,5 Prozent erhöht. Weitere Steigerungen sollen folgen.
Der harte Preiskampf ist etwas, was Daimler-Versicherungschef Schindewolf ausnutzt. Er hat durchgesetzt, dass Kunden im Schadensfalle ihr Fahrzeug in der Vertragswerkstatt reparieren lassen können. Bei anderen Versicherungsverträgen sei dies oft nicht so. Die Versicherer würden versuchen die Kosten bei der Reparatur zu drücken, so Schindewolf. Für qualitätsbewusste Autofahrer – und dazu zählen wohl viele Mercedes-Fahrer – sei das ein Gräuel. Für die Autohändler soll die die konzerneigene Lösung doppelt gut sein: Werkstattleistungen seien für sie oft ähnlich wichtig wie der Autoverkauf, außerdem können sie bei der Abwicklung des Schadens auch gleich den Kauf eines neuen Autos ins Spiel bringen.
Ob sich der Abschluss eines Versicherungsvertrages direkt beim Autokauf für den Kunden finanziell lohnt, ist dabei schwer zu beurteilen. Zwar können die Hersteller günstige Konditionen mit den Versicherern aushandeln, doch ob sie diese an die Kunden weitergeben, ist aufgrund der intransparenten Preisstruktur unklar, bemängeln Kritiker. Die Policen werden nämlich oft in Gesamtpaketen mit anderen Finanzierungs- oder Leasingleistungen oder als Paket mit Wartungsleistungen angeboten. Deshalb ist ein Vergleich mit einer klassischen Versicherung kaum möglich.