Die Aufgabe des deutschen Versicherungsombudsmanns ist klar umrissen. Sie besteht darin, Streitigkeiten in Versicherungsangelegenheiten im Sinne der Verbraucher beizulegen. Aber in einem Fall musste sich der Versicherungsombudsmann, der ehemalige Präsident des Bundesgerichtshofes Günter Hirsch, auch gegen staatlichen Einfluss wehren: Eine Behörde wurde jetzt wegen Kompetenzüberschreitung in die Schranken verwiesen.
Seit Mitte 2016 ist der Versicherungsombudsmann die anerkannte deutsche Verbraucherschlichtungsstelle. Als zuständige Behörde für die Anerkennung seiner Entscheidungen fungiert das Bundesamt für Justiz im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz. „Die Rolle des Bundesamtes war für mich ein offenes Problem“, sagte Hirsch auf der Pressekonferenz zur Bilanz seiner Arbeit im vergangenen Jahr.
Ende 2016 gingen beim Bundesamt Beschwerden über den Versicherungsombudsmann selbst ein. Ein Vorwurf lautete, der Ombudsmann habe den Anspruch eines Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör verletzt. Die Behörde bat den Versicherungsombudsmann um eine Stellungnahme zum Verfahrensverlauf und zur Korrespondenz.
Für Hirsch ein Unding. „Ombudsmann und Geschäftsführer haben gegenüber dem Bundesamt diese Angaben aus grundsätzlichen Erwägungen verweigert“, so der Chef-Schlichter. Das Bundesamt sei nicht zur Aufsicht über das Verfahren der privaten Schlichtungsstelle befugt. Spezielle Eingriffsrechte stünden dem Bundesamt nicht zu. „Weitergehende Kontrollkompetenzen sind schon deshalb nicht akzeptabel, weil sie den Kernbereich der Unabhängigkeit des Ombudsmanns bedrohen würden“, formuliert Hirsch.
Die Argumentation überzeugte die Richter. Ende April 2017 teilte das Bundesamt dem Ombudsmann mit, dass sich die Angelegenheit erledigt habe. Um künftig Interpretationsspielräume einzuengen, formulierte das Bundesverbraucherschutzministerium „Hinweise zum Überprüfungs- und Widerrufsverfahren“. Danach komme den Behörden kein allgemeines Aufsichtsrecht über die anerkannten Verbraucherschlichtungsstellen zu. Grundsätzlich finde keine inhaltliche Überprüfung statt, ob sich ein Schlichtungsvorschlag am geltenden Recht ausrichte, so das Verdikt. Damit sieht sich der Versicherungsombudsmann in seinem Selbstverständnis vollauf bestätigt. Andere Schlichtungsstellen zeigten sich erfreut über die Klarstellung, bemerkte Hirsch.
Im vergangenen Jahr machten wieder zahlreiche Verbraucher von der Möglichkeit Gebrauch, ihre Beschwerden vorzutragen. Ihre Zahl stieg um 0,9 Prozent auf mehr als 19.750, die Zahl der zulässigen Beschwerden legte dabei um 1,7 Prozent auf mehr als 14.900 zu. Die meisten zulässigen Beschwerden konzentrierten sich auf die Bereiche Leben, Rechtsschutz, Kfz-Kasko und Gebäudeversicherung.
Schlägt der Verbraucher den Beschwerdeweg ein, ist die gesetzliche Verjährungsfrist gehemmt. Der Versicherungsombudsmann kann berechtigte Ansprüche durchsetzen, denn Entscheidungen gegen Versicherer sind bis 10.000 Euro verbindlich. Beschwerden können sich durchaus lohnen, schließlich liegt die Erfolgsquote bei 43 Prozent. Nur bei der Sparte Lebensversicherung ist die Erfolgschance geringer – hier liegt sie bei knapp 24 Prozent. Verbraucher können die Dienste des Versicherungsombudsmanns kostenlos in Anspruch nehmen.
In jüngster Zeit muss sich der Versicherungsombudsmann mit einem neuen Phänomen vertraut machen. „Es gibt auffällig viele Beschwerden zu gleichgelagerten Sachverhalten wie beispielsweise zur VW-Abgasaffäre oder zu Widerspruchsfällen in der Rechtsschutzversicherung, die von wenigen oder nur einzelnen Rechtsanwaltskanzleien eingelegt werden“ beobachtet Hirsch.
Das stoße auf Probleme, schließlich könne eine gütliche Einigung in einem dieser Verfahren einen starken Multiplikatoreffekt für den Versicherer haben. Auf der anderen Seite könnte eine über den Einzelfall hinausgehende gütliche Lösung auch für das Unternehmen interessant sein. Die Lösung könnte darin bestehen, so Hirsch, die anerkannten Verbraucherschlichtungsstellen in die Verfahren der Musterfeststellungsklagen einzubeziehen. Das Kabinett hat vor wenigen Wochen die Einführung einer Musterfeststellungsklage beschlossen, mit der Verbraucher schneller und günstiger zu ihrem Recht kommen sollen.
Verbraucherschlichtungsstellen sollten für die Klärung von Verbraucheransprüchen im konkreten Einzelfall zuständig sein und die Unternehmen sollten verpflichtet werden, sich auf ein Schlichtungsverfahren einzulassen, „wenn ihre Haftung im Grundsatz gerichtlich festgestellt ist“, so Hirsch. Für solche Schlichtungsverfahren könnte nach dem Vorbild des Versicherungsombudsmanns dem Schlichter die Kompetenz eingeräumt werden, bis zu einem bestimmten Beschwerdewert verbindlich gegen das Unternehmen zu entscheiden.
Jetzt haben die Abgeordneten das Wort.
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