Aus seinen Absichten macht Günther Thallinger keinen Hehl. „Wir wollen solche Investitionen weiter ausbauen“, kündigte der Vorstand für Investment Management der Allianz im April im Handelsblatt auf die Frage an, ob der Versicherungskonzern mehr in sogenannte alternative Investments wie Infrastrukturprojekte investieren werde. Wenige Woche später lässt der Topmanager, der für den Konzern rund 653 Milliarden Euro verwaltet, seinen Worten weitere Taten folgen.
Die Allianz übernimmt zusammen mit zwei Partnern den britischen Wasserversorger Affinity Water und baut damit ihre Position bei Infrastruktur-Investments aus, wie der Dax-30-Konzern aus München am Dienstag mitteilte. Das Konsortium bezahle für 90 Prozent an dem Unternehmen rund 687 Millionen Pfund und damit umgerechnet gut 810 Millionen Euro. Auf die übrigen zehn Prozent, die noch in den Händen des französischen Versorgers Veolia liegen, sicherte sich der Verbund um die Allianz zudem eine Option. „Das Investment in Affinity Water ist ein weiterer wichtiger Schritt, um unser Portfolio an hochwertigen Infrastruktur-Beteiligungen auszubauen“, betonte Allianz-Manager Christian Fingerle.
Die Allianz und die britische Beteiligungsgesellschaft HICL stemmen jeweils gut ein Drittel der Übernahme, der Rest entfällt auf den niederländischen Infrastrukturfonds DIF. Die Allianz, die sich zur Höhe ihres Investments nicht äußern wollte, dürfte damit rund 300 Millionen Euro auf den Tisch legen. Verkäufer sind die US-Bank Morgan Stanley und der europäische Infrastruktur-Investor Infracapital. Der Deal soll bis Ende des Monats abgeschlossen werden.

Für den Münchener Konzern, der am Mittwoch zur Hauptversammlung nach München lädt, ist der Deal ein wichtiger Trippelschritt in Richtung seines Ziels, seine Marktstellung im Sektor der alternativen Investments deutlich auszubauen. So gab der Versicherer angesichts rekordniedriger Zinsen das Ziel aus, bei Infrastrukturbeteiligungen wie Flughäfen, Wassernetzen und Windparks künftig ganz vorne mitzuspielen. Die neue Liebe zu langfristigen Großprojekten hat einen einfachen – und für viele Versicherer eher unschönen Hintergrund. Denn angesichts von Niedrigzinsen verdienen die Riesen mit vielen althergebrachten Anlageformen wie Staatsanleihen kaum mehr auskömmliche Profite.

Was also tun? Unter dem Druck der schwierigen Lage an den Kapitalmärkten machen sich die Experten in den Versicherungstürmen inzwischen immer häufiger auf die Suche nach neuen alternativen Investmentmöglichkeiten, die einen langen Anlagehorizont bieten – und sich als gutes Geschäft erweisen könnte. Affinity Waters passt deshalb genau ins Beuteschema. Das Unternehmen versorgt in Großbritannien gut 3,6 Millionen Menschen täglich mit rund 900 Millionen Liter Wasser. Die Einnahmen im britischen Wassersektor seien fair und gut vorhersehbar, erklärte Fingerle.

Der Wasserversorger ist nur das letzte Glied einer langen Kette. Erst vor wenigen Tagen war die Allianz mit mehr als einer halben Milliarde Euro auch bei der Betreibergesellschaft der italienischen Autobahnen eingestiegen. Ein von der Infrastruktur-Tochter Allianz Capital Partners (ACP) geführtes Konsortium erhielt den Zuschlag für einen Anteil von fünf Prozent an Autostrade per l’Italia, die in Italien mehr als 3000 Kilometer Autobahnen betreibt – das ist die Hälfte des Mautstraßennetzes des Landes.
Auch in Italien hat sich die Allianz mit zwei Partnern verbündet, mit denen sie bereits bei mehreren Infrastruktur-Investitionen zusammengearbeitet hat: dem französischen Versorger EdF und dem niederländischen DIF Infrastructure Fonds. ACP hält 74 Prozent an dem Konsortium. Ihr Anteil an Autostrade hat damit einen Wert von knapp 550 Millionen Euro. Ein weiterer Anteil von fünf Prozent geht an den chinesischen Staatsfonds Silk Road („Seidenstraße“). Die Allianz hat die Option, bis Oktober weitere 2,5 Prozent zu übernehmen. Mit Autobahnen hat die Allianz Erfahrung: In Deutschland ist ACP am Raststättenbetreiber Tank & Rast beteiligt.
Die Versicherer sind erpicht auf solche Infrastruktur-Investments, weil diese langfristig stabile, sichere Renditen versprechen. Die Einnahmen von Autostrade per l’Italia lagen im vergangenen Jahr bei 3,8 Milliarden Euro, der operative Gewinn bei 2,4 Milliarden Euro. Es ist sind Deals, die die Allianz gerne auch häufiger in Deutschland abschließen würde. Aber ausgerechnet im Heimatland finden die Assekuranzen bisher kaum große Investmentmöglichkeiten. „Gerade in Deutschland ist das Verständnis noch immer sehr ausgeprägt, dass öffentliche Infrastruktur allein mit Steuermitteln finanziert werden muss“, klagte Thallinger gegenüber dem Handelsblatt. Bisher spricht nichts dafür, dass sich dies bald ändern wird.
Fonte:
Handelsblatt