Millionen Riester-Sparer müssen zu Unrecht erhaltene staatliche Zulagen doch nicht zurückzahlen. Das Bundeskabinett verabschiedete gestern einen Gesetzesentwurf, der es Anlegern ermöglichen soll, die Förderbedingungen nachträglich zu erfüllen. Konkret geht es um Fälle, in denen Riester-Sparer irrtümlich oder unwissentlich in der Vergangenheit einen zu geringen Eigenbeitrag geleistet hatten und deshalb rückwirkend einen Teil der staatlichen Zulagen verloren.
Damit reagiert die Bundesregierung auf die Vielzahl fehlerhafter Förderanträge. Allein für die Jahre 2005 bis 2007 deckte die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) rund 1,5 Millionen Fälle auf, in denen Anleger zu Unrecht Zulagen erhielten – wobei Sparer, bei denen das öfter der Fall war, mehrfach erfasst wurden. Insgesamt hat der Staat seit Einführung der Riester-Rente im Jahr 2001 rund 500 Mio. Euro an Prämien zurückgefordert. Darin sind aber auch Vertragsauflösungen enthalten.
Mit der Riester-Rente fördert der Staat die private Altersvorsorge. Inzwischen haben mehr als 14 Millionen Deutsche einen Vertrag abgeschlossen. Sie erhalten eine Grundzulage von jährlich 154 Euro, für Kinder gibt es obendrein jeweils 185 Euro beziehungsweise 300 Euro für nach 2007 geborene. Um die volle Förderung zu erhalten, müssen Sparer jedoch mindestens vier Prozent ihres Vorjahresbruttoeinkommens einzahlen, maximal 2100 Euro, wobei die Zulagen mit eingerechnet werden.
Der Zulagenantrag wird über den Produktanbieter gestellt, der ihn an die ZfA übermittelt. Die Behörde berechnet auf Basis der gemeldeten Daten die Höhe der Zulage und überweist den Betrag direkt an den Produktanbieter. Die eigentliche Kontrolle, ob die Förderung zu Recht gewährt wurde, erfolgt jedoch erst frühestens zwei Jahre nach Ende des Beitragsjahres, für das die Zuschüsse bestimmt sind. Denn so lange haben Riester-Sparer die Möglichkeit, ihre Zulagen rückwirkend zu beantragen.
Sparer erfahren somit erst spät, dass sie in der Vergangenheit möglicherweise zu Unrecht staatliche Zuschüsse erhalten haben. Die Rückforderungen betreffen insbesondere diejenigen, die Lohnerhöhungen nicht gemeldet hatten. Betroffen sind auch viele mittelbar Anspruchsberechtigte: Ein nicht berufstätiger Ehepartner kann einen Riester-Vertrag abschließen und erhält selbst ohne Eigenanteil die Zulage, wenn der berufstätige Ehepartner bereits riestert – was vor allem Hausfrauen nutzen. Bekommen sie aber ein Kind, wechseln sie automatisch für bis zu drei Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung. Für diese Zeit müssen sie den Mindestbeitrag von 60 Euro pro Jahr leisten, um die volle Förderung zu erhalten.
Sparer, denen Zulagen aberkannt wurden, weil sie einen zu geringen Eigenbeitrag geleistet hatten, erhalten nun die Chance, nachzuzahlen. “Damit bleibt der Zulagenanspruch rückwirkend für die Vergangenheit erhalten”, sagte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU).
Damit befreit die Bundesregierung die Produktanbieter aber auch von möglichen Schadensersatzforderungen. Der FTD liegen Berichte von Anlegern vor, die von ihren Bankberatern beispielsweise nicht über die Gefahr aufgeklärt wurden, dass mittelbar Anspruchsberechtigte nach Geburt eines Kindes die Zulage verlieren, wenn sie keinen Eigenbetrag leisten.
Sie und die übrigen Betroffenen werden nun nach Angaben der Regierung automatisch informiert und können dann die Beiträge an ihren Anbieter überweisen mit dem Hinweis, für welche Jahre sie bestimmt sind. Um den Rest kümmern sich die Anbieter. Um zudem Probleme mit mittelbar Anspruchsberechtigten künftig auszuschließen, soll ab 2012 jeder Riester-Sparer den Sockelbeitrag von jährlich 60 Euro leisten. Die Bundesregierung wertet die Änderungen als Verbesserung des Verbraucherschutzes.
Experten halten den Schritt aber für unzureichend. “Das Ganze als Verbesserung des Verbraucherschutzes zu bezeichnen, ist schon erstaunlich. Letztlich ist es ein Herumwerkeln an den Symptomen einer ausufernden Bürokratie”, sagt Axel Kleinlein, Finanzmathematiker aus Berlin. Die Regierung sollte sich vielmehr überlegen, wie sie das umständliche Zulagenverfahren einfacher gestalten kann, fordert Kleinlein. Gleicher Ansicht ist Kornelia Hagen, Verbraucherschutzexpertin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): “Die Rückbuchungen sind ein sehr starker Hinweis darauf, dass die Riester-Rente nicht so funktioniert wie geplant.” Es werde Zeit, dass die Politik die Schwachstellen bei Riester systematisch untersuche und daraus lerne.
Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) begrüßte die neuen Regeln. Es sei richtig, dass Anleger die Chance bekämen, den Eigenbeitrag nachträglich aufzustocken, sagte eine Sprecherin. Weitere Vereinfachungen seien aber notwendig. Der DSGV hatte dazu erst am Montag einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt.