Der Rotarierfreund tippt dem hochrangigen Versicherungsmanager aufgebracht auf die Brust. “Du arbeitest in einer Schmuddelbranche, mein Lieber”, sagt er. Es ist Donnerstagabend, am selben Tag sind Enthüllungen über eine Incentive-Reise der Munich-Re-Gesellschaft HMI bekannt geworden, bei der 2007 in Budapest Verkäufer mit den Diensten von Prostituierten belohnt wurden.
Der so angegangene Manager hat nichts mit HMI zu tun. Er berichtet von dem Vorfall am nächsten Tag im Pausengespräch bei einem Fachkongress. Inzwischen hat sich der Vorfall nicht nur zum Image-GAU für Munich Re und die Tochtergesellschaft Ergo entwickelt, zu der auch HMI gehört. Die gesamte Branche leidet.
Ergo-Chef Torsten Oletzky ist anwesend und spricht über das Thema “Versicherungen – was ist eigentlich schiefgelaufen?”. Was vor vier Jahren schiefgelaufen ist, will Oletzky nicht kommentieren. “Wir sind alle sehr betroffen”, sagt er nur. “Wir werden den Vorgang vollständig aufklären.”
In vielen Unternehmen wird jetzt untersucht, ob es Ähnliches gab. Zumindest über einen Fall gibt es Diskussionen in der Branche. Beim Hannoveraner Versicherer Concordia soll es Incentive-Reisen gegeben haben, bei denen auch Prostituierte anwesend waren, heißt es. Concordia-Sprecher Michael Vieregge dementiert: Man sei immer mit Lebenspartnern unterwegs, es gehe vor allem um Kultur. Die Insider bleiben bei ihrer Darstellung. Besonders pikant: Zwei Geschäftspartner aus dem Milieu, die bei der Vermittlung der Frauen behilflich gewesen sein sollen, sollen inzwischen auch Concordia-Versicherungsagenturen betreiben – um Geschäft aus ihrem Umfeld zu bringen.
Andere Unternehmen sind sicher, dass es bei ihnen keine rotlichtigen Vorkommnisse gab. Die besten Verkäufer unter den 37.000 Vertretern der Deutschen Vermögensberatung (DVAG) reisen mit Partnern in DVAG-eigene Domilize oder mit Aida-Schiffen. Sexuelle Dienstleistungen wie bei der HMI gebe es nicht, sagt eine Sprecherin. Auch MLP schließt sie bei Incentive-Reisen “definitiv aus”. Ähnlich äußern sich OVB und Signal Iduna.
Die Allianz verweist auf ihren Verhaltenskodex, der Mitarbeiter anhält, den guten Unternehmensruf nicht zu schädigen und moralische, religiöse und ethische Standards nicht zu verletzen. Darunter falle auch die Belohnung für Vertriebserfolge mit gekauften sexuellen Dienstleistungen. Einmal aufgeworfen, haftet der Schmutz aber an allen.