Leonardo del Vecchio ist einer der erfolgreichsten Geschäftsmänner Italiens. Er formte den Brillenkonzern Luxottica, bekannt für die Marke “Ray Ban”. Die Firma, die ihren Ursprung in der Nähe Bellunos nahm, ist heute in 130 Ländern präsent und erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 6,2 Mrd. Euro. Auf del Vecchio, hinter Pietro Ferrero der reichste Italiener, wird also gehört.
Del Vecchio ist unzufrieden mit seiner dreiprozentigen Beteiligung an Generali. Pünktlich zur Hauptversammlung des italienischen Versicherungskonzerns am Samstag in Triest attackiert er Generali-Vorstandschef Giovanni Perissinotto. “Er sollte mit Würde zurücktreten”, sagte del Vecchio in einem Zeitungsinterview, das am Tag des Aktionärstreffens veröffentlicht wurde
Der Versicherer sei nicht sorgsam mit dem Geld seiner Anleger umgegangen, zürnt Del Vecchio. Generali habe sich bei Telekom Italia engagiert, sei bei einer russischen Bank eingestiegen und habe 2 Mrd. Euro durch eine Kooperation mit dem tschechischen Geschäftsmann Petr Kellner riskiert. Mit seinem Rücktritt würde Perissinotto den Investoren, den Aktionären und den Versicherten Respekt zollen. “Ich weiß, dass das in Italien kein Nationalsport ist. Aber an der Stelle Perissinottos würde ich mich nicht vor der Hauptversammlung präsentieren”, sagt Del Vecchio.
Generali mutet den Aktionären 2011 einiges zu. Der Nettogewinn halbierte sich auf 856 Mio. Euro. Die Anteilseigner müssen sich deshalb in Verzicht üben. Während Allianz und Axa die Ausschüttung konstant hielten, kürzen die Italiener 2011 die Dividende – von 45 auf 20 Cent je Aktie. Das entspricht einer Ausschüttungsquote von nur 36,4 Prozent. Traditionell lag sie bei 40 Prozent.
2011 war kein gutes Jahr für die Assekuranz – und insbesondere für Generali. Die europäische Schuldenkrise stellt Generali vor größere Probleme als die Konkurrenten Allianz und Axa. Mehr als 40 Prozent des Staatsanleiheportfolios von 114 Mrd. Euro entfällt auf Italien. Dementsprechend abhängig ist Generali von der Entwicklung des Renditeaufschlags auf italienische Staatsanleihen im Vergleich zu Bundesanleihen. Im November 2011 war der Abstand auf ein Rekordhoch von mehr als 550 Basispunkten geklettert. Hinzu kam die Malaise Griechenlands. Generali musste 76 Prozent auf griechische Staatsanleihen abschreiben.
Hausgemachte Probleme
Doch die Probleme sind auch hausgemacht. Generali revidierte den Wert ihrer Beteiligung an der Gesellschaft Telco herab. Telco ist mit einem Anteil von mehr als 22 Prozent Großaktionär des Telekomkonzerns Telecom Italia. Teuer wird auch die Kooperation mit dem tschechischen Geschäftsmann Petr Kellner werden. Bis Ende 2013 muss Generali rund 2,7 Mrd. Euro aufbringen, um Kellner aus der gemeinsamen Gesellschaft PPF Holding herauszukaufen. Der Tscheche kann seine Anteile Generali andienen. Um das finanziell ohne Kapitalerhöhung stemmen zu können, verkauft Generali Beteiligungen. Zuletzt wurde der 69-Prozent-Anteil am israelischen Versicherungskonzern Migdal abgestoßen – für 835 Mio. Euro.
Auf die Kritik Del Vecchios ging die Generali-Spitze nicht ein. Sie hofft darauf, dass das Jahr 2012 besser wird. “Ich stelle mit Zufriedenheit fest, dass Generali die Schwierigkeiten solide gemeistert hat, mit denen sie konfrontiert wurde”, sagte Verwaltungsratspräsident Gabriele Galateri di Genola, am Samstag auf der Hauptversammlung. “Wir beginnen 2012 mit einer Stabilisierung unser Solvabilitätsquote, einer Erholung der Ergebnisse und einem wichtigen Beteiligungsverkauf, Migdal, der unser Eigenkapital stärkt.” Das erlaube Generali, in einem “reifen Markt” zuzulegen.
Immerhin denken nicht alle wie Del Vecchio. Es gibt den ein oder anderen, der an Generali glaubt. Dazu gehört der norwegische Ölfonds. Er stockte seine Beteiligung an dem italienischen Versicherungskonzern von knapp 0,5 auf 1,8 Prozent auf. Damit der Pensionsfonds hinter derMediobanca, der italienischen Notenbank, Del Vecchio, der Gruppo de Agostini, der Gruppo Caltagirone und Effeti der siebtgrößte Anteilseigner.
Auch der französische Geschäftsmann Vincent Bolloré hält Generali die Treue. Italiens Ministerpräsident Mario Monti brachte mit dem Sparpaket “Salva Italia” den Artikel 36 auf den Weg. Er verbietet es Top-Managern, in mehreren Finanzunternehmen gleichzeitig tätig zu sein, sofern ein Konkurrenzverhältnis vorliegt. Bolloré sitzt in den Verwaltungsräten von Generali und der Mediobanca – und musste sich wegen des neuen Gesetzes für ein Mandat entscheiden. Er wählte Generali. Allerdings aus nicht gerade schmeichelhaftem Grund. Vor der Hauptversammlung sagte er: “Ich habe den Eindruck, dass es bei Generali noch große Arbeit gibt. Da glaube ich, einen größeren Beitrag leisten zu können.”