Felix Hufeld ist seit Anfang März neuer Präsident der Bafin. In seinem ersten Interview erklärt er, welche Ziele er sich gesteckt hat, welchen Themen er sich besonders widmen wird und was ihn an der neuen Aufgabe reizt.
Felix Hufeld, bislang Exekutivdirektor der Versicherungsaufsicht, ist seit Anfang März neuer Präsident der Bafin. Er übernahm das Amt von Elke König, die in Brüssel die neue europäische Abwicklungsbehörde aufbauen und leiten wird. Im Interview mit dem BaFinJournal erläutert der neue Präsident, welche Ziele er sich gesteckt hat, welchen Themen er sich besonders widmen wird und was ihn an der neuen Aufgabe reizt.
Herr Hufeld, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Ernennung. Was ist es für ein Gefühl, neuer Präsident der Bafin zu sein?
Ich übernehme diese große Verantwortung mit Respekt. Die Ausübung wirksamer Aufsicht und die Weiterentwicklung einer angemessenen Regulierung der Finanzwirtschaft im nationalen und zunehmend europäischen und globalen Kontext ist eine herausragende Aufgabe. Dies gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen anzugehen – darauf freue ich mich sehr.
Was reizt Sie an der neuen Aufgabe besonders?
Erstens die ungeheure Vielfalt der Themen, mit denen wir als Allfinanzaufsicht tagtäglich konfrontiert sind. Zweitens die Relevanz der Aufgabe – was wir hier tun, ist wirklich wichtig. Und drittens die Menschen. Man hat es im nationalen und internationalen Kontext mit zahlreichen Gesprächspartnern zu tun – sowohl von Seiten der beaufsichtigten Unternehmen und Verbände als auch von Seiten anderer Behörden oder politischer Instanzen. Alle vertreten unterschiedliche Interessen und verkörpern verschiedene politische und kulturelle Erfahrungen. Mit ihnen über streitige Themen zu diskutieren und am Ende in aller Regel zu vernünftigen Ergebnissen zu kommen, ist ein großes, spannendes und lehrreiches Abenteuer.
Welche Ziele haben Sie sich als Präsident gesteckt?
Lassen Sie mich auch hier drei Stichpunkte nennen. Erstens geht es darum, effektiv an der Finanzregulierung mitzuwirken. Es ist eine wesentliche Aufgabe der Bafin, sich frühzeitig und wirksam in Themen einzubringen, die sich vor allem international entwickeln – sei es auf europäischer oder globaler Ebene. Unser Kerngeschäft – und das ist mein zweiter Punkt – ist und bleibt aber die Aufsicht selbst. Sie muss wirksam und schlagkräftig sein und bleiben, auch aus nationaler Perspektive. Und drittens müssen wir weiterhin daran arbeiten, eine zukunftsfähige, sehr leistungsstarke Behörde zu bleiben.
Sie haben bisher die Versicherungsaufsicht geleitet. Wird Ihr Fokus weiterhin auf Themen liegen, die die Versicherungswirtschaft betreffen?
Es liegt in der Natur meiner neuen Aufgabe als Präsident, dass alle Themen, mit denen sich die Bafin beschäftigt, Teil meiner Zuständigkeit sind. Insofern werde ich den Kontakt zu den Themen der Versicherungsaufsicht sicherlich nicht verlieren, zumal ich diese zunächst kommissarisch weiterführen werde, bis eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger gefunden ist. Spätestens dann werden diese Themen für mich aber selbstverständlich nicht mehr so stark im Fokus stehen können und müssen wie bisher. Die Erfahrungen aus diesen ersten, sehr intensiven zwei Jahren als Aufseher werden mir aber ganz sicher auch bei meiner neuen Aufgabe zugutekommen.
Welchen Themen werden Sie sich als erstes widmen? Was ist aus Ihrer Sicht am dringlichsten?
Es gibt einige dringliche Aufgaben, bei denen ich einen gewissen Akzent setzen möchte. In der Bankenaufsicht ist zweifellos der Aufbau und die Weiterentwicklung des gemeinsamen europäischen Aufsichtsmechanismus SSM das bestimmende Thema, dem wir uns besonders widmen müssen. Außerdem gilt es, ein sehr wachsames Auge auf die Entwicklungen in Bezug auf Griechenland zu haben. Die dringlichste Aufgabe der Versicherungsaufsicht sind derzeit die zahlreichen, sehr komplexen Antragsverfahren, die sie in Vorbereitung auf das neue europäische Aufsichtsregime Solvency II zu bewältigen hat. Hier sind wir nun endgültig auf die Zielgerade eingebogen – in zehn Monaten ist es so weit. Und auch die Wertpapieraufsicht steht vor großen Herausforderungen: Sie hat die Folgen der europäischen Gesetzgebung für die Finanzmärkte zu stemmen, der MiFID II und derMiFIR. Da sind zum einen Fragen der Organisation, etwa die Etablierung der neuen Meldeverfahren; zum anderen bedeutet das aber auch, dass grundsätzlich neue Aufsichtsstandards für den gesamten Markt zu etablieren sind. Daneben gibt es große Herausforderungen, die die Bafin als Ganzes betreffen.
Welche sind das?
Mir kommen spontan vier übergreifende Themen in den Sinn, die ich hervorheben möchte: den Charakter der Bafin als Allfinanzaufsicht, den Verbraucherschutz, die künftige Rolle der Bafin in Europa und all die komplexen Fragen, die mit IT, Internet und neuen Medien zusammenhängen. Diese Themen werden uns sicherlich die nächsten Jahre besonders intensiv beschäftigen.
Lassen Sie uns auf diese Punkte genauer eingehen. Die Bafin ist ja seit ihrer Gründung eine Allfinanzaufsicht. Wo sehen Sie hier Verbesserungsbedarf?
Die Bafin ist eine integrierte Finanzaufsichtsbehörde, ja, aber was bedeutet das konkret? Bisher ist dies noch zu abstrakt und schwer fassbar, so dass Allfinanzaufsicht fast zum Mythos geworden ist. Es geht hier nicht um die Auflösung guter und praktischer Aufsichtstätigkeit für die jeweiligen Branchen in einer Art Weltenformel der Allfinanz. Es geht vielmehr darum, die konkreten Vorteile präzise zu benennen und erlebbar zu machen – zum Beispiel die Vorteile, die sich durch den Austausch von Know-how ergeben und durch Synergiepotenziale, aber auch die Vielfalt an Entwicklungspfaden für Mitarbeiter. Von den Vorteilen einer integrierten Finanzaufsicht bin ich fest überzeugt, deren Stärken auch und gerade im internationalen Vergleich deutlich werden. Der Schutz der Verbraucher ist für mich ein hervorragendes Beispiel: Viele Fragen des Verbraucherschutzes betreffen mehrere Branchen zugleich oder werfen schwierige Abwägungsfragen zwischen den Interessen unterschiedlicher Verbrauchergruppen untereinander auf. Es kommt auch vor, dass ein Spannungsverhältnis mit Fragen der Risikotragfähigkeit oder der Finanzstabilität entsteht. Niemand ist besser in der Lage, solche Fragen umfassend und qualifiziert zu bewerten, aufzulösen und in wirksame Maßnahmen zu übersetzen als eine integrierte Finanzaufsicht.
Warum ist der Schutz der Verbraucher eines der wichtigsten übergreifenden Themen, denen sich die Bafin widmen muss?
Das neue Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAG), das aufgrund des geplanten Kleinanlegerschutzgesetzes entsprechend angepasst werden soll, wird uns eine übergreifende Eingriffsermächtigung an die Hand geben. Sie wird es der Bafin erlauben, zivilrechtliche Schutznormen oder Gerichtsurteile stärker in ihre Aufsichtstätigkeit zu integrieren. Das ist für einige Aufsichtsbereiche ein ganz wesentlicher Paradigmenwechsel, den wir nutzen wollen, um den Verbraucher insgesamt noch besser zu schützen. Dazu müssen wir ein wirksames Instrumentarium entwickeln, und zwar für die gesamte Bafin.
Als dritte große, übergreifende Herausforderung haben Sie die Rolle der Bafin in Europa genannt. Dies ist ein Thema, das die Bankenaufsicht sicher in besonderem Maße betrifft.
Die Einigung und Harmonisierung der europäischen Finanzaufsicht ist ganz offensichtlich ein überragend wichtiges Thema für die Bankenaufsicht, aber keineswegs nur für sie. Die Entwicklungen in Europa betreffen alle Tätigkeiten der Bafin, wenn auch in unterschiedlichem Grade. Wir müssen lernen, die Autorität der Bafin, die sie traditionell durch ihre unmittelbare Anordnungsbefugnis ausgeübt hat, zunehmend zu ergänzen durch eine Autorität, die auf sachlich hoch qualifizierter, aber auch taktisch kluger Einflussnahme beruht. Das Ziel bleibt das gleiche: Wir wollen die Relevanz der Bafin wahren und stärken – aber die Mittel müssen sich ändern. Es geht hier nicht um einen Bedeutungsabfall, sondern um einen Bedeutungswandel. Die Bafin muss angemessen beteiligt sein, wenn europäische Behörden regulatorische oder aufsichtliche Maßnahmen mit Wirkung für deutsche Unternehmen ergreifen. Wir haben auch weiterhin die führende Rolle wirksam auszufüllen, die wir als nationale Aufsichtsbehörde eines sehr wichtigen Landes in Europa innehaben. Worum es geht, ist, europäische Gemeinsamkeit wirksam zu organisieren, ohne nationale Notwendigkeiten und Interessen zu ignorieren. Das ist eine klare Mission, an der wir sehr intensiv und gezielt auf unterschiedlichen Ebenen zu arbeiten haben.
Sie nannten außerdem das Themenbündel IT, Internet, neue Medien. Welche Akzente wollen Sie hier setzen?
Für die Unternehmen, die wir beaufsichtigen, sind die mit der Nutzung von IT-Systemen und Internet verbundenen Risiken eine ernstzunehmende Bedrohung. Das IT-Sicherheitsgesetz, das die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat, qualifiziert die Finanzbranche darum insgesamt als „kritische Infrastruktur“. Wir haben in der jüngeren Vergangenheit, teils im Inland, noch stärker im Ausland, dramatische Bedrohungslagen zur Kenntnis nehmen müssen, die die Funktionsfähigkeit von Unternehmen, aber auch potenziell ganzer Branchen in Frage stellen können. Damit müssen wir uns intensiver auseinandersetzen.
Gibt es eigentlich auch Dinge, die Sie grundlegend anders machen wollen als Ihre Vorgängerin?
Ja, hier wird sich einiges verändern: Da Frau Dr. König ihre Bilder mitnehmen wird, bin ich gezwungen, das Büro neu zu bestücken. Das wird zu einem drastischen Wechsel der künstlerischen Ausrichtung der Bafin führen. Aber im Ernst: Es ist mir eine ganz besondere Freude und Ehre, Frau Dr. König in dieser Rolle nachfolgen zu dürfen. Sie hat hier das Amt der Präsidentin über drei Jahre hervorragend ausgeübt. Wir haben immer sehr gut und eng zusammengearbeitet. Dafür möchte ich ihr auf diesem Wege noch einmal herzlich danken und ihr für ihre neue Aufgabe alles Gute wünschen.
VITA
Felix Hufeld leitete die Versicherungsaufsicht seit Januar 2013 und wird dies zunächst auch weiterhin kommissarisch tun. Daneben ist er Vorsitzender des Exekutivausschusses der Internationalen Vereinigung der Versicherungsaufsichtsbehörden IAIS (International Association of Insurance Supervisors) und Mitglied des Management Boards sowie des Boards of Supervisors der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung EIOPA (European Insurance and Occupational Pensions Authority).
Vor seiner Zeit bei der Bafin war Hufeld unter anderem lange Jahre in international führender Position bei Marsh tätig, einem weltweit tätigen Versicherungsmakler und Risikoberatungsunternehmen. Aufgrund seiner Tätigkeit als Leiter der weltweiten Konzernentwicklung bei derDresdner Bank AG sowie langjähriger Erfahrung als Unternehmensberater mit Schwerpunkt Banken und Finanzdienstleister bei der Boston Consulting Group bringt Hufeld zudem breite Kenntnisse aus dem Bankensektor mit. Seine berufliche Karriere startete er als Rechtsanwalt. Hufeld hat Rechtswissenschaften in Mainz und Freiburg studiert. Zudem erwarb er an der Harvard University einen Master in Public Administration (MPA).
Das Interview mit dem BaFin Jorunal ist zuerst auf der Webseite der Bafinerschienen.