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Versicherer sollten neue Geschäftsfelder erschließen, indem sie dem deutschen Staat Risiken abnehmen. Das rät Stefan Lippe, bis Ende Januar Chef des weltweit zweitgrößten Rückversicherers Swiss Re, seiner Branche. “Die Versicherer sollten sich nicht scheuen, erfolgreiche Geschäftsmodelle in Schwellenländern anzuschauen und zu kopieren”, sagte Lippe auf dem FTD-Versicherungstag in Schloß Bensberg in Bergisch-Gladbach. In Mexiko habe die Regierung etwa Erdbebendeckungen gekauft, um im Falle einer Katastrophe schnell Geld zur Hand zu haben.

Derartige Verträge sind Geschäfte, bei denen der Versicherer sich verpflichtet, eine fixe Summe auszuzahlen, wenn ein zuvor festgelegtes Ereignis eintrifft. In Mexiko etwa wäre das der Fall, wenn ein Erdbeben eine bestimmte Stärke erreicht. Der Vorteil: Die Regierung hat unmittelbar nach der Katastrophe Geld. “Damit holt sich die Regierung in Mexiko zum Beispiel alle zur Verfügung stehenden Helikopter, um die Menschen aus den Katastrophengebieten auszufliegen.” Für den deutschen Markt empfiehlt Lippe den Versicherern, sich ähnliche Modelle auszudenken.

Auf Versicherungsschutz zurück greift mittlerweile auch die Regierung im US-Staat Alabama. In Deutschland gäbe es ebenfalls etliche öffentliche Körperschaften, für die solche Verträge infrage kämen, sagte Lippe. Der deutsche Staat trägt Risiken in der Regel selbst. Viele Kommunen sind in einem Haftpflichtverbund zusammengeschlossen und gleichen große Schäden so untereinander aus.

Treten neue Risiken in Wirtschaft oder Gesellschaft auf, sollten Versicherer nach einer Lösung suchen, sagte Lippe. Bei vielen Problemen seien die Versicherer die idealen Ansprechpartner, weil das Risikomanagement ihr Kerngeschäft sei. Aber sie müssten mehr tun, um mehr Vertrauen zu gewinnen.

Glaubwürdigkeitskrise

Das sehen auch Marktforscher so. “Versicherer haben eine Glaubwürdigkeitskrise”, sagt Jens Lönneker, Psychologe vom Marktforschungsinstitut Rheingold. Konsumenten fühlten sich abgezockt und fürchteten, bei einem Schaden keine Leistung zu bekommen. Das ist keine Frage einzelner Unternehmen, sondern der Branche. Denn Verbraucher unterscheiden nicht wirklich zwischen den Anbietern. “Versicherer sind gesichts- und namenlos”, sagte Lönneker. Bei Untersuchungen sprechen Verbraucher in 85 Prozent der Fälle von “der” Versicherung oder “meiner” Versicherung und nennen keinen Namen. Interessant: Das ist unabhängig davon, ob der Befragte gerade eine positive oder negative Erfahrung mit seiner Versicherung gemacht hat. Das Problem für Unternehmen: Sie werden austauschbar und abhängig vom Vermittler. “Versicherer legen selbst den Ball auf den Elfmeterpunkt für Vergleichsportale und Testberichte”, sagte er.